Garten des Lebens
ich hätte tun müssen, war, meiner Mutter zu sagen, dass ich zum College wollte, doch ich sagte kein Wort.”
“Warum nicht?”, fragte Carolyn. “Hast du jemals herausgefunden, was dich damals davon abhielt?”
Lisa nickte. “In den letzten Jahren habe ich viel darüber nachgedacht. Vor allem wollte ich damals auf eigenen Beinen stehen und unabhängig sein. Durch den Job bei der Telefongesellschaft hatte ich die Freiheit, meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Ich wollte ausziehen, und ich wollte nicht mehr unter der Fuchtel meiner Eltern stehen. Heute weiß ich, dass ich damals mehr aufgab, als ich gewinnen konnte.”
“Was ist mit deinem Bruder?”, fragte Susannah. Sie erinnerte sich dunkel an Lisas kleinen Bruder. “Ist er aufs College gegangen?”
Lisa nickte. “Er ging auf die Universität von Washington – und flog nach einem Jahr raus.”
Susannah seufzte.
“Das Komische ist, dass ich mittlerweile die Familie ernähre. Bill starb vor fünf Jahren an Krebs, und nun bin ich mit den Kindern allein. Und bald werde ich ganz allein sein.”
Sie schwiegen, während sie sich noch einmal durch den Kopf gehen ließen, was Lisa gerade erzählt hatte.
“Du bist dran”, sagte Lisa und wandte sich Yvette zu.
“Ihr kennt den Weg, den ich genommen habe. Es war ja mehr ein Umweg. Ich wünschte, ich hätte damals Ken nicht geheiratet. Wenn ich zurückblicke, weiß ich, dass es ein Fehler war, aber ich war so jung und naiv.”
“Das habe ich auch getan”, warf Carolyn ein. “Auch ich habe den falschen Mann geheiratet.”
“Ist Jake Presley dein verpasster Weg?”, fragte Lisa und sah Susannah an.
Susannah lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und dachte über ihr Leben nach. Trotz ihrer jugendlichen Liebe zu Jake hatte sie nicht das Gefühl, den falschen Mann geheiratet zu haben. Joe war ein wundervoller Ehemann, und sie führte ein gutes Leben. Sie liebte ihre Familie, ihr Zuhause, ihren Garten. Ihre Arbeit als Lehrerin macht ihr Spaß. Doch wenn ihr der Beruf Freude machte, warum zählte sie dann die Jahre bis zu ihrer Pensionierung? Das war eine andere Frage für einen anderen Tag …
“Ich bin mir nicht sicher”, antwortete sie ausweichend. Doch sie entschloss sich, ehrlich zu ihren Freundinnen zu sein. “Ja, ich denke, das ist er.” Sie schwieg einen Moment lang. “In letzter Zeit frage ich mich oft, ob ich nicht Jake hätte heiraten sollen.”
“Ich dachte, du wusstest nicht, wo er war.”
“Ich meine nicht, nachdem ich aus Europa zurückkehrte, sondern davor.” Sie sah in die Runde und bemerkte, dass ihre Freundinnen sie mit großen Augen fragend anblickten. Lächelnd nahm sie einen Schluck von ihrem Wein. “Am Abend, bevor ich nach Paris flog, hat Jake mich gebeten, mit ihm nach Idaho zu fahren, um zu heiraten.” Sie ahnte damals nicht, dass sie ihn zum letzten Mal sehen würde.
Ihre Freundinnen hielten erschrocken die Luft an. Jede von ihnen kannte die Geschichten von jungen Liebespaaren, die so etwas getan hatten. In Idaho musste man nicht warten, sondern konnte sofort einen Friedensrichter aufsuchen und heiraten.
“Und du hast Nein gesagt?” Yvette schien die ganze Geschichte kaum glauben zu können.
“Ich denke, alle Mädchen auf der Highschool waren in Jake Presley verschossen”, sagte Lisa. “Er ist ein verwegener Kerl gewesen, und jede von uns hätte alles getan, um ihn zu bekommen.”
Susannahs Stimme war erfüllt von Bedauern. “Ich wollte ihn davon überzeugen zu warten, aber es hat nicht funktioniert.” Sie musste nur die Augen schließen und sah Jake vor sich. Er hatte so verdammt gut ausgesehen in seiner schwarzen Lederjacke.
“Und du hast nie wieder etwas von ihm gehört, nachdem du zurückgekehrt bist? Nicht ein einziges Mal?”, fragte Lisa.
“Ich hoffte, er würde nach mir suchen, aber das tat er nicht”, gab Susannah zu. Jedenfalls wusste sie nichts davon. Susannah traute ihrem Vater zu, in puncto Jake zu lügen. Während der ganzen Zeit auf dem College wartete sie darauf, dass Jake sich meldete – sie war sich so sicher, dass er sie liebte, so sicher, dass sie irgendwann zusammen sein würden. Als sie Mitte zwanzig war, gab sie auf und heiratete Joe.
Das Schweigen verunsicherte sie. “Ich habe einen wundervollen Ehemann – versteht mich nicht falsch”, fügte sie hastig hinzu. “Meine Kinder sind großartig und nun schon beinahe erwachsen. Dies ist die beste Zeit meines Lebens.”
Sie glaubte ihren eigenen Worten nicht, obwohl alles, was
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