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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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nachzudenken. Man könnte auch einfach um ihn herumgehen und den Garten rahmenlos anschauen, in seiner ganzen blaugrünen Anarchie. Ich bleibe eine Weile da, um zu beobachten, wie andere sich in dem Turm bewegen. Der Mann geht immer noch mit seinen Tönen herum, fängt sie wieder ein, macht neue. Man hört auch die Frösche. Sonderbar: Man vergißt in dem Turm, was man eigentlich wollte, auch das Interpretieren macht sich still davon, so daß nur das reine Schauen bleibt, von drinnen nach draußen, vom Weiß in die Farben, durch vier Rechtecke in sehr unterschiedlich blaue und grüne Wildnis.
    Ja, so fängt es an auf der Insel, die Garten und Kunstwerk zugleich ist, die aber keinen zu etwas zwingt, weder zum Unterscheiden noch zum Vereinen.
    Irgendwann gelangt man unter den leiser werdenden Gesängen von Fröschen und Saxophon an eine Klinkermauer. Das Material hat einen, ohne daß man sich es bewußt gemacht hat, schon die ganze Zeit auf der Fahrt hierher begleitet –freudlose Kirchen sind daraus gemacht und viele Häuser. Schmucklos, ohne Schnickschnack, Erfüllung des erfüllbaren Traums: Klinkerhaus mit Vorgarten. Und Hecke. Beide Elemente sind auch auf dieser Insel zueinandergeordnet – Klinker und Hecke. Die Mauer, ohne Öffnungen, wird von einer zweiten lichteren Mauer eingerahmt, einer sehr hohen und extrem schmal geschnittenen Buchenhecke. Ein: Halt! Bis hierher und erst einmal nicht weiter! wird dem glücklichen Schlendern entgegengesetzt, so, als müßten die herumvagabundierenden Blicke wieder eingefangen und gebündelt werden. Man hat sie über Gras und Blumen, Bäume, Enten und Gänse, Schwalben, Reiher und über etwas dunkel Glänzendes wandern lassen, einen Otter. Wasser ist zu sehen, zu hören und mancherorts versteckt hinter Büschen zu ahnen. Leute sind einem entgegengekommen, mit verwirrten Gesichtern, wie nach dem Wachwerden. Grüßt man sich hier eigentlich?
    Hinter dieser Mauer mit der nachzeichnenden Hecke ist ein Museum, ein ganz weißes, in dem Dinge in und auf weißen Kuben stehen, schöne Dinge und nicht so schöne. Nichts ist erklärt, beschildert, hervorgehoben. Alles steht so gleichberechtigt nebeneinander, als hätte jemand einen Koffer voll Reiseandenken ausgepackt. Es sind ja vielleicht auch welche, Buddhas, ein Ganesha, ein chinesischer Hochzeitsschrank, buntes Glas. Anderes könnte in der Region ausgegraben worden sein, kleine Objekte ohne erkennbare Funktion. Monochrome Tafeln an der Wand. Das Grün ist ganz anders als das Grün draußen. Das Wissenwollen versickert in den weißen Räumen, der anerzogene Wunsch nach Erklärung, Wertung, Einordnung löst sich auf. Eine Vase ist eine Vase ist eine Vase.
    Wunderbarer Zustand, von dem der Besucher ahnt, daß er nicht lang anhalten kann. Die Welt ist nicht so eingerichtet,auch die Kunstwelt nicht. Hier hat das Drinnen sich das So-Sein des Draußen angeeignet, das ist das Erstaunliche. Es wird einem aber erst nach Tagen klar. Während man schaut und geht, sich von etwas aufhalten läßt und dann wieder einem Weg folgt, grübelt man nicht.
    Im Gras liegt eine zerborstene Glocke, rostig und riesig. Geschichten vom versunkenen Vineta kommen einem in den Sinn, oder vielleicht ist das der Rest einer vom Krieg zerstörten Kirche? Stahlkochen ist Kunst steht dran und Thyssen . Ach so. Vorher war aber genug Zeit, eigene Geschichten um das große, verrostete Ding zu spinnen.
    Niemand schreibt einem vor, in welcher Reihenfolge man den Objekten begegnen soll, die auf der Insel zusammengekommen sind. Und wenn man nichts anderes tut, als die verschiedenen Sorten Rhododendren zu erkunden, die hier einen idealen Standort haben, oder sich mit den Farnen zu beschäftigen, ist es auch gut. Die Farne übrigens bilden eine Art Lichtinstallation, das gefiederte Grün teilt und filtert das Sonnenlicht in regelmäßige Streifen, ein verrückter Anblick. An einem niedrigen Haus, das von blühenden Glyzinien – wieder ein neues Blau – über und über bedeckt ist, gewiß seit hundert Jahren, hängt an einer Kette ein Schild: Bitte nicht stören. In mir entsteht das Bild eines Liebespaares, das da drinnen für alle Zeit schläft.
    Auf der Insel Hombroich lernt man, wie Vorschläge gemacht werden, von den Bäumen, vom Gras, von dem, was Künstler hingestellt haben, auf die Umarmungen des Gartens vertrauend. Diese Umarmungen sehen jeden Tag ein wenig anders aus, sie blühen und welken, schließlich vergehen sie, um dann wieder so verschwenderisch zu werden wie

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