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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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an diesem Maitag. Wie mag die Insel im Winter aussehen, wenn die Kunstwerke mit sich allein sind?
    Zum Beispiel das, was ich König Artus’ Tafelrunde nenne: ein großer Kreis von strengen, lehnenlosen eisernen Stühlen, ins hohe Gras gerammt, auf manchen sitzen Holländer und machen Brotzeit. Jetzt, viel später, weiß ich, daß diese Arbeit von Anatol ist und Parlament heißt, aber an dem Maitag gehörte sie mir und trug den Namen, den ich ihr gegeben habe.
    Die eisernen Stühle lassen die Menschen klein aussehen, aber durch das üppige Gras wirken sie doch freundlich. Ich kann mir vorstellen, daß sie im Winter wie Folterstühle aussehen könnten. Oder bei großer Hitze glühen. Ich zähle: Siebenundzwanzig sind es. Oder habe ich mich verzählt? Menschen setzen sich drauf, fotografieren sich gegenseitig, strecken sich, versuchen hoheitsvoll dazusitzen, albern herum. Gegenüber, weit weg, stehen Figuren, die aussehen, als hätten sie vor Urzeiten in der Runde gesessen und irgendwann Platz gemacht. Nein, nichts wird erklärt. Man hat lediglich einen kargen kleinen Lageplan, der knapp informiert – skulpturale Gebäude von Heerich, Auepark von Bernhard Korte gestaltet –, im übrigen aber weder interpretiert noch Geheimnisse verrät.
    Man braucht es nicht. Um einen Glasbau herum stehen Bäume, unter deren tiefhängenden Zweigen sich Stühle und Tische wie Küken unter den Flügeln einer Glucke drängen. Man könnte da auch bei Regen sitzen, geschützt und verborgen. Es regnet aber nicht, und in dem Glasbau gibt’s Kaffee und Wasser und Tee, eine Menge zu essen auch, Kuchen oder Bratkartoffeln, wonach einem eben ist. Kostet nichts. Man ist zu Gast bei Unsichtbaren. Auf einem großen Stein stehen Namen, die man sich als Gastgeber vorstellen könnte: Oskar Pastior, Heiner Müller, Thomas Kling, die Lampersbergs, Ludwig Soumagne, noch viele andere. Lebende, Tote? Ist hier nicht so wichtig.
    Eine Freundin hatte mir von einem rosa Haus erzählt, in dem eine gewaltige Kunstsammlung schlummere. Ich finde es tatsächlich, das rosa Haus im Tiefschlaf, mit verschlossenen Läden, es hängt kein Schild »Bitte nicht stören« da, aber ich tue so als ob und gehe leise drum herum. Die Bäume haben es in tiefe Schatten eingehüllt, das Haus, aber ein Auto steht davor, und das ist doch sehr befremdlich. Paßt nicht zu diesem Ort. Wasser schwätzt leise daneben, überall ist Wasser, und in ihm baden weiße Rhododendren. Es sind die ersten, die blühen. In ein paar Wochen wird es auf der Insel eine Rhododendronexplosion geben, eine andere Art von Rhein in Flammen. Wer wird dann noch die Kunst anschauen?
    Am Haus des Künstlers Anatol steht: Kunst ist Seelsorge . Das klingt nach Böll, aber man kann nicht richtig widersprechen. Das Arbeitshaus, eine hölzerne Bleibe, sieht aus wie grade verlassen, aber auch wie schon ewig verwaist. Ein Kunstwerk mit vielen Kunstwerken drum herum, zugewachsen, es hat ja eigentlich nie ein Ende mit der Kunst, wenn man nur lang genug lebt. Das Anatol-Haus sieht aus, als könnte sofort weitergearbeitet werden. Vor dem Haus sitzt einer in der Sonne, der aussieht wie der Künstler. Neben ihm sitzt eine schöne Frau. Sie grüßt.
    Bitte nicht stören.



Kunst und Gartenkunst – denn das ist sie, grade wenn sie sich als Wildnis gibt, eine glaubwürdige und schön aussehende Wildnis zu erschaffen ist das schwerste – konkurrieren auf Hombroich nicht, das eine hilft dem anderen auch nicht auf die Sprünge. So einfach ist das hier nicht. Man kennt das von anderen der Kunst dienenden Orten: Unzulänglichkeit soll durch grüne und blühende Umgebung in Attraktivität verwandelt werden. In Venedigs Giardini macht sich jeder öde Klotz irgendwie gut. Jedenfalls scheinen dasviele zu glauben. Auf Hombroich geschieht etwas ganz anderes, aber dahinterzukommen ist nicht leicht.
    Man beginnt etwas zu begreifen: Da ist ein angelegter Buchsbaumgarten, ein zerzaustes Versailles, die Strenge der Buchse durch gewollte Unregelmäßigkeit ins Komische gewendet. Die Buchse bilden enge Gänge, durch die man sich drängeln muß. In den Gevierten abgeblühte Tulpen und Kaiserkronen. Dieser Anlage fehlt das Militärische, das Buchsgärten oft durch den gnadenlosen Drill, dem sie unterworfen sind, anhaftet. Der Buchsbaum, der sein grünes Haupt / Dem Frost entgegen pflanzt und Des Winters Macht verhöhnt, wie es in dem schönen Gedicht von Hölty heißt, kommt hier antiautoritär daher. Das wäre hübsch anzusehen, angenehm, wenn

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