Gartengeschichten
kommen ja die asiatischen Gärten mit ihren Steinlaternen und Buddhaköpfen samt dem ewigen Bambus endlich einmal aus der Mode, und vielleicht legen sich dann gesellige und denkfreudige Gärtner einen Kepos zu, in dem viel Platz für Freunde ist – und für die Suche nach dem Glück.
Eine Insel
»NICHT AUF DEM / RASN SPUCKN! PFAUEN-KNEBELN UNTERSAGT!«
Thomas Kling
Frühling hatte sein blaues Band mitten über die Insel gelegt. Es bestand aus Ehrenpreis, übriggebliebenen Hundsveilchen, ersten Glockenblumen, verblühenden Muscari, Unmengen von Vergißmeinnicht und Lupinen und einer Sorte hoher blauer Hyazinthen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte – zum erstenmal dort, auf der Museumsinsel Hombroich. Ein allerletztes Mal wollte ich die Sache mit Kunst und Garten noch ausprobieren und danach endgültig resignieren. Bis auf die südfranzösische Fondation Maeght, in der Kunst anmutig wie Riesenspielzeug herumsteht und -liegt, habe ich der in Gärten aufgestellten oder hingelegten Moderne nie was abgewinnen können.
Das Freundlichste, was mir einfiel, war: Es stört nicht besonders. Das galt für Museumsgärten und Kunstparks und für vieles Venezianische und Kasselerische, ich kann es nicht ändern. Immer konkurrierte da irgend etwas Steinernes oder Stählernes oder Hölzernes gegen Blätter und Zweige um meine Blicke. Blätter und Zweige gewannen immer. Das gilt natürlich nur für mich. Ich wollte aber lernen. Nach Hombroich müßte ich fahren, hörte ich. Da sei alles anders.
Vorher kommt erst einmal die Fahrt über flaches Land. Die Landschaft am Niederrhein ist eine listige Landschaft, sie hält sich hinter Hecken verborgen. Die fallen als erstes auf, denn so kennt man das anderswo nicht: Scheinbar ohne Ordnung und Plan sind da mit Hilfe höchst unterschiedlicher Hecken viereckige Stücke aus dem Nichts geschnitten.Aufwendige Rahmen, aber kein Bild. Auf die lebendigen Bilderrahmen verwendet man in diesem Landstrich viel Phantasie, wechselt manchmal mittendrin Stil, Material und Absicht. Sehr hohe, undurchdringliche Taxusmauern werden unversehens von frivolen Buchsplastiken unterbrochen, man experimentiert mit Streifen und Mustern, lebende Zinnen aus Thuja sieht man ebenso wie säulenartige Gebilde, die von sauber getrimmten Kugeln gekrönt werden. Die Hecken am Niederrhein sind eine Sensation, die wahrscheinlich kaum jemandem auffällt. Daß Rahmen etwas Wichtiges sind, kann man in der Beuyssammlung des Schlosses Moyland sehen. Ich wage zu behaupten, daß aus der goldenen und strengen Rahmung ein Großteil ihres Zaubers besteht.
Aber: Kunst und Garten, Kunst und gestaltete Natur – Zeit für den Hombroich-Versuch.
Es ist ein makelloser Maitag, nicht zu viele Autos auf dem Parkplatz, ein protestantisch karger Eingangsbereich, Bücher, Postkarten, ein Museumshop ohne Üppigkeit. Draußen führen Treppen in eine scheinbare Wildnis hinunter, blaue Blumen überall, wie gesagt. Schon auch gelegentlich Absperrbändchen, wie man sie in öffentlichen Gärten rund um frisch gesäte Stellen sieht. Besonders verblüffend ein Geviert mit Gänseküken: Die könnten mühelos untendrunter durch oder obendrüber schlüpfen, doch sie tun es nicht. Sie trippeln vielmehr anmutig in dem ihnen zugewiesenen Viereck herum. Fotohandys werden in die Luft gehalten. Man kann aber gleich wieder allein sein, wenn man möchte, den nächsten Grasweg nehmen und hundert Augenpaaren standhalten, die über der Wasserfläche eines dunklen Tümpels auftauchen. Ich habe angesichts von Fröschen Prinzen nie für die bessere Wahl gehalten. Das bestätigt sich jetzt. Es ertönt ein sattes, vielstimmiges Lied. Man sieht ihre geblähten Kehlen und dieeleganten Bewegungen ihrer Beine. Manchmal klingt es wie Oboen.
In einem leeren, weißen Turm geht langsam ein Mann hin und her und spielt Saxophon. Er probiert nachdenklich Schall, Hall und Echo aus, er schaut den Tönen nach, die an den weißen Mauern hochsteigen und sich oben unter dem Dach bündeln und wieder verlieren. Der Mann läßt sich nicht stören. Der Turm ist ein Kunstwerk, von wem, wann gebaut, ist in diesem Moment nicht wichtig. Der Turm hat vier Öffnungen, eine in jede Himmelsrichtung. In den von weißer Kargheit umgebenen Öffnungen sind Bilder vom Draußen zu sehen, Bilder von farbigster Fülle. Der Turm ist das Drinnen, vielleicht der von Gedanken freie Kopf, der Töne und Farben einfach einläßt. Vielleicht ist er aber auch etwas ganz anderes. Niemand ist gezwungen, über ihn
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