Gartengeschichten
bewußtlose Art, durch Kunst hindurchzugehen wie durch den Garten, in dem sie zu finden ist.
Bei der Rückfahrt, noch lang im Hellen, Rapsfelder mit Hecken drum herum. Gelbe, ordentlich gerahmte Bilder.
Die sieben Todsünden
»Und vom Erkenntnisbaume / Lächelte spottgut die Blüte.«
Else Lasker-Schüler
Daß ein Garten aus Menschen bessere Menschen machen kann, behaupten nicht nur Sachbuchautoren, Fachjournalisten und Inhaber von Gartencentern – es ist gängige Lehrmeinung, philosophisch und theologisch abgesichert. Da reizt es einmal in der anderen Richtung nachzuschauen. Könnte es nicht sein, daß der Weg zur Hölle rechts und links von schönen Gärten gesäumt ist?
Für das Mittelalter waren Hochmut, Neid, Zorn, Wollust, Geiz, Völlerei und Faulheit die schlimmsten Sünden. Das mutet harmlos an, die Neuzeit ist anderes gewöhnt. Vielleicht aber sah jene gartenkundige Epoche in ihnen das Wurzelunheil, aus dem jedes andere wachsen kann, wenn nur der richtige Boden da ist. Und heute? Gedeihen sie in unseren Gärten, die sieben Todsünden?
Den Hochmut dort zu finden ist nicht schwer, er kommt mit jeder Sorte Boden gut zurecht. Ob Kleingartenkolonie oder Privatpark, er gedeiht üppig, als einziges Gewächs auf Erden ist er in der Lage, sich selbst zu düngen, das macht ihn interessant. Und ob es sich um das Kohlrabibeet im Bahndammgärtchen oder eine Staudenanlage der berühmtesten britischen Gartendesignerin handelt: Wir sehen bei den Inhaberinnen – Männer sind anders hochmütig, da geht es meistens um technische Ausrüstung oder Größe und Kostspieligkeit frisch gepflanzter Bäume – den gleichen Gesichtsausdruck.
Jetzt bist du platt, das kriegst du nie im Leben hin, sagen die Augen.
Ach, da ist doch gar nichts dabei, sagt der Mund.
Im Grunde genommen ist der Gärtnerinnenhochmut eine klassenlose Sünde, das macht ihn sympathisch. Ob die Bäuerin Müller oder die Gräfin von Müller ihre Gewächse der Bäuerin Schulze oder der Gräfin von Schulze zeigt – kein Unterschied. Kohlrabi oder Agapanthus – das eine kann man essen, das andere nicht. In beiden Fällen wird mit falscher Bescheidenheit in der Stimme die Dicke der Köpfe, die Delikatheit der Farbe, die Üppigkeit des Grüns gepriesen. In beiden Fällen werden die Damen auf Widrigkeiten des Standorts und des Wetters hinweisen und darauf warten, daß die Unterlegene ihre Unfähigkeit zugibt, Erde und Himmel perfekte Kohlrabi oder Agapanthusse abzuringen.
Manche Quellen übersetzen die Todsünde superbia nicht mit »Hochmut«, sondern mit »Stolz«. Aber was wäre ein Gärtnerdasein ohne Stolz? Der Mensch lebt nicht von Demut allein, in den Todsündenkatalog gehört der Stolz gewiß nicht. Zumal, wenn man ihn an einem taufeuchten Sommermorgen angesichts seiner Rosen oder Lilien ganz für sich allein behält.
Der Hochmut dagegen braucht Publikum, denn er will sich in der zweiten Todsünde spiegeln – dem Neid. Das wissen Gärtner beiderlei Geschlechts. Vor den Neid der anderen haben die Gartengötter den Schweiß gesetzt – es muß allerdings nicht der eigene sein. Wer Gelegenheit hat, bei öffentlichen Zurschaustellungen imperialer Gärten – also jenen, in denen ein Heer von Gartenarbeitern die Ideen der Besitzer grabend, schneidend, pflanzend und Unkraut beseitigend umsetzt – Gesprächen zu lauschen, weiß: Die Sünde des Neids erhebt ihr gelbes Haupt über Rhododendren und Buchs und jedes andere edle Gewächs.
Habt ihr das Staudenbeet um den Brunnen gesehen? EinDesaster. Sie hat es sich von der St. Sowieso designen lassen, aber die hat bei den Hückelhofens gemeint, sie bange sehr um die Umsetzung. Und schau es dir an. Armselig. Als hätte sie zu den Malven gesagt: Achtung! Stillgestanden! Die St. Sowieso kostet ein Mördergeld. Das hätte ja unser Franz besser hinbekommen! Und am Eingang hat sie tatsächlich die Ligusterpyramiden mit Begonien umpflanzt. Begonien! Wie auf einem Dorffriedhof!
Es gibt Gegenden, in denen ein aristokratischer Garten oder Park neben dem anderen liegt. Die Inhaber kennen einander seit Generationen, haben hinüber- und herübergeheiratet und Bäume groß werden und wieder fallen sehen. Wenn in einem solchen Garten vermehrt Bäume fallen, hat es entweder einen Sturm gegeben oder einen berühmten Parkfachmann, der Sichtachsen angeordnet hat. Wenn dann der Sicht nichts mehr im Weg steht, weil hundertjährige Bäume zu Brennholz zersägt am Wegesrand liegen, fährt er befriedigt wieder weg, der berühmte
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