Gartengeschichten
man allzu Ordentliches nicht mag – unvergeßlich wäre es gewiß nicht. Das wird es aber sofort, wenn man ins Innere des vollkommen leeren, weißen Pavillons geht und von dort aus durch die sonderbar geformten Fenster hinausschaut. Rousseausche Gartenbilder – solche hat er nicht gemalt, aber so sieht er aus, der Buchsgarten – entstehen und scheinen sich zu bewegen, als tanzten die Büsche.
Das müßte man unbedingt im Winter sehen. Vom weißen Pavillon ins Weiß draußen, Buchshäupter dem Frost entgegen gehalten.
Was aber läßt sich schließen aus dem auf dieser Insel so glücklich vermählten Paar Kunst und Garten? Ich weiß nicht, wieviel Planung hinter dem schönen Konzept steht, oder ob das Gelingen mit dem Niederrheinischen im speziellen zu tun hat – aber den Verdacht habe ich schon. Pastior und Kling und Soumagne, die auf dem Stein verewigten Dichter eint eine gewisse Sperrigkeit und Eigenständigkeit, der Charme der Sonderlinge. Vielleicht haben sich die Stifter des Ortes bewußt nur solchen zugewendet, die lieber einenerdigen Himmel am Niederrhein als irdischen Ruhm haben wollten. Die bildenden Künstler, die hier ihre Zeichen in die blauen Blumen gesetzt haben, dachten und denken ganz bestimmt so. Glaube ich.
Hier ist nichts mit Absicht schön und schon gar nicht mit Absicht abstoßend, nichts bohrt sich mir in den Schädel und schreit mich an, ich solle meine Sehgewohnheiten ändern. Der Garten und die Kunst in ihm sehen aus, als müßten sie so aussehen mitsammen und könnten gar nicht anders. Um mich kümmert sich gar nichts, ich werde nicht als Geisel genommen oder gezwungen, in ein fremdes Horn zu blasen, bloß damit die anderen denken, ich verstünde was von Kunst. Keine Katalogwörter. Wenn einen etwas kaltläßt, muß man sich nicht schämen, wie an anderen Kunstorten, wo man schnell das Gefühl hat, vom Sakrament ausgeschlossen zu sein. Dafür genügt schon das Geständnis: Damit kann ich nichts anfangen. Wenn man beim Gang über die Insel Hombroich mit einem Werk nichts anfangen kann, fängt man eben nichts damit an, riecht statt dessen an einer Blume und geht weiter. Deswegen ist man noch lang nicht verstoßen.
Das gleiche gilt für das Gartenwerk. Von den Rhododendren zum Beispiel war schon die Rede, von der Installation mit den Farnen und den hundertjährigen Glyzinien. Die sind natürlich nicht hundert, aber sie tun so, weil jemand so klug war, es ihnen zu erlauben. Man kann aus diesem Gewächs, dem Blauregen, gar nichts anderes machen als Kunst, das heißt, man muß ihm etwas ganz überlassen. Glyzinien in einen normalen bürgerlich-familiären Garten zu integrieren wird in den meisten Fällen mißlingen. Sie verschlingen und umschlingen alles und pressen sich am liebsten zwischen Dinge, die zusammenbleiben sollten, zum Beispiel Mauer und Regenrinne. Sie haben eisenhartes Holz und würgenselbst stabilste Eisenkonstruktionen zu Tode. Hier dürfen sie würgen und umschlingen mit ihrem unglaublichen Blütenmeer. Bitte nicht stören. Genial.
Das Schau-mich-an! Schau-mich-an! vieler moderner Gartenanlagen, seien sie öffentlich oder privat, ertönt hier nicht. Es will entdeckt werden, das Besondere, und es verrät oft nicht einmal, ob es geplant war oder einfach entstanden ist.
Dennoch ist hier nicht Elysium, und man vergißt auch nicht, daß anderswo auf der Welt, vielleicht nur ein paar Kilometer weiter, Schrecken und Scheußlichkeit existieren. Sonst hätten Dichter wie Pastior, Kling oder Soumagne auch nicht hierher gepaßt. Grade Kling, der früh Gestorbene mit seinen stacheligen Versen, die ich jetzt erst wahrscheinlich richtig lesen kann, nachdem ich diesen niederrheinischen Ort angeschaut habe: puttengrün; / geharkter kies, » DER RHEIN IN / FLAMEN!«; das moost so schön, / das west! / betongestützte ritter- / burg, die schlößchen schweinchen- / rosa; bengalisch abends: pavian- / hinterteil . Die Raketenstation, wo er bis zu seinem Tod wohnte, hebe ich mir für später auf. Für eine andere Jahreszeit.
Dort setzt das namensummen anders ein die codes sind irgend / wie gewechselt. rhizom-rhizömchen die sich miteinander // unterhalten. Sieh hier das netzteil, angeregt: mit eigenen augn / staunender linné: – »roger ! frau flora übernimmt das regiment!« – »hier // brehm jawoll verstann!«
Assoziationswildwuchs ist noch nach Tagen im eigenen Hirn zu spüren. Der Wunsch nach Informationen läßt allerdings lang auf sich warten. Zu erholsam war diese fast
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