Gartengeschichten
daß diese Art keuscher Wollust, öfter genossen, fröhliche und zufriedene Agnostiker hervorbringt. Das würde natürlich den Sündenstatus erklären.
Es kann allerdings nicht genug darauf hingewiesen werden, daß sich die besondere, dem Sein und So-Sein im Garten geschuldete Wollust nur einstellt, wenn einem die übrige Welt samt ihren Empfehlungen und Forderungen vollkommen gleichgültig ist. Wie der Rasen, der Hibiskus, der Teich oder der Zaun auszusehen haben, geht keinen etwas an. Und unversehens ist das ersehnte Gefühl dann da. Manchmal sogar bei Regen.
Bisher hatten alle angeführten Todsündenarten im Garten ihre guten und verzeihlichen Seiten. Bei der nächsten, dem Geiz, wird sich nichts dergleichen finden lassen. Wer in seinem Garten den Geiz walten läßt, ist des Teufels. Jeder von uns hat Geizkragengärten schon gesehen. Geizige Leute haben gern viereckige Gärten mit etwas in der Mitte und etwas drum herum, alles schön überschaubar, pflegeleicht, kein Laub abwerfend, billig im Rabatteckchen des Baumarkts erworben. Früher war die Mitte oft ein riesiges Pampasgras mit staubgrauen Wedeln, heute bieten sich Betonungetüme aller Stilarten mit Dauerbepflanzung an. Das Drumherum ist Hecke, einheitlich stachelig, nicht zu hoch, damit man sehen kann, wer kommt und was sich auf der Straße tut und wer ein neues Auto oder Übernachtungsbesuch hat. Wenn Zwiebelblumen auftauchen, handelt es sich meistens um ein paar magere Narzissen. Geizkrägen liegen ständig im Kampf mit der Natur, denn die gibt sich einer manchmal etwas tückischen Großzügigkeit hin. Sie wirft sich mit verschwenderischer Fülle in die Lücken, die der Geizhals ihr läßt. Wenn ein Geizhals beginnt, seinen Garten anzulegen, segnet dieNatur grade ihn reichlich mit Gänseblümchen und Gundelrebe. Giersch und Farne schmücken seine öden Beete, die er natürlich viel zu sparsam bepflanzt hat. Diese göttliche Anarchie ist ihm in der Seele zuwider, und wo der großzügige Gärtner ihr umsichtig, geduldig und klug Struktur und Ordnung abringt, reagiert der Geizhals mit Panik. Stein muß her, Beton muß her, Kies muß her, und die wenigen Pflanzen, die der Geizhals mag, dürfen nur den ihnen zugewiesenen Platz beanspruchen.
Außerdem zwingt der Geizhals Pflanzen, die ein reiches Familienleben lieben, zur Einsamkeit. Ein Dahlienbusch allein, eine magere Rose oder eine vereinzelte Malve. Kirschlorbeer läßt der Geizige so lang in seinem Garten wohnen, bis nichts anderes mehr Platz hat. Und Koniferen mag er. Meistens wendet sich die Natur nach einer gewissen Zeit, in der sie sich mit Geizhals-Ärgern amüsiert hat – Nesseln, Brombeeren, Männertreu, Ackerwinde – gelangweilt ab. Der Garten bleibt eigentümlich leblos zurück, der Rasen ist ein stumpfgrüner Teppichboden, die Pflanzen sind autistisch wuchsfaul, nur die nachts herumstreunenden Katzen freuen sich über den akkurat gerechten Kies und halten ihn für ein riesiges Katzenklo.
Manchmal sieht man aber auch sehr kostspielig angelegte Geizgärten. Es sind die, die sich im Lauf des Jahres fast nicht zu verändern scheinen. Grüne Buschskulpturen, wieder Stein überall da, wo sich Unliebsames ansiedeln könnte, exotische Solitäre. Wenn die eingehen, werden genauso Todgeweihte in gleicher Größe nachgepflanzt. In diesen Fällen handelt es sich nicht um Geldgeiz, sondern um Seelengeiz. Gartenbesitzer dieser Art spielen das Spiel aus Wunsch und Wirklichkeit, Erfolg und Verzicht nicht mit, das lebenslang die Beziehung zwischen Garten und Gärtner prägt. Sie erteilen lediglichihrem Grund und Boden Befehle, und der muß sie ausführen. Tut er es nicht, wird er unter Marmor und Zierkies erstickt. Einen Geizgarten, mag er knickrig oder angeberisch sein, erkennt man sofort, nicht nur an seiner Öde, sondern auch an seiner furchtbaren Stille. Ein glücklicher Garten schwätzt und raschelt, knackst, murmelt und piepst immer, jeder hat seine eigene Melodie. Einen Geizgarten hört man nicht.
Sollte man einen solchen übernehmen, zur Miete oder als Kauf, dauert es eine Weile, bis die Erde wieder Mut faßt. Es lohnt sich, Geduld mit ihr zu haben. Sie wird sich von Gift und Versiegelung erholen und schöne Überraschungen bereithalten.
Da ist die Völlerei eine weit angenehmere und gartenverträglichere Todsünde. Allerdings will sie in diesem Zusammenhang erst einmal definiert werden. Gemeint ist nicht der ungezügelte Verzehr von Selbstgeerntetem – es passiert sowieso nur Kindern und
Weitere Kostenlose Bücher