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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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Schmuckpflanzen, ein makelloser Rand. Die Realität ist, Fische, Sonne und Pflanzen machen Schmutz. Ja, auch die Sonne in diesem Fall, sie treibt die Algen zur Wucherung und läßt lange, wabbelige Algenpelze wachsen, ganze Boas und Schleppen aus Algen, in denen sich die starkfarbigen Fische tummeln, die zum Schmutz wesentlich beitragen. Auch die Bäume tun das Ihre und schicken alte, modrige Blätter auf den Grund. Im Wasser ist der Schmutz am geheimnisvollsten, das Element selber soll ihn ja eigentlich bekämpfen. Aber es zieht ihn an. Die schneeweiße Vogeltränke weist nach kurzer Zeit einen grüngrauen Belag auf, jetzt will man gar nicht mehr wissen, mit welchen Mitteln die Kristallklarheit luxuriöser Swimmingpools erreicht wird. Dreck und Wasservoneinander zu trennen geht nur mit Gewalt und nur für kurze Zeit.
    Ich habe Gartenbesitzer erlebt, die zu Sklaven der Wasserklarheit geworden waren, mit einem Gerätepark aus Saugern, Pumpen, Filtern und Keschern, den sie andauernd mit sich herumschleppten oder umbauten, neu erfanden, änderten, auswechselten. Das ist ähnlich wie bei den Amerikanerinnen mit ihren ganztägigen Lockenwicklern – der Zustand der Perfektion, der Schönheit, wird nie erreicht, immer nur vorbereitet.
    Es gibt Gärtnerinnen, seltener Gärtner, die ohne Handschuhe nicht in ihren Garten gehen, und nicht nur, wenn Brombeerwildlinge rauszureißen, Rosen und andere Stachelsachen zu schneiden sind oder man den Disteln endlich grundsätzlich ein Ende machen will, was nicht gelingt, und schon gar nicht mit Handschuhen. Sie haben immer Handschuhe an, und nicht nur die zu diesem Zweck hergestellten, die immer ein bißchen peinlich aussehen, so gewollt niedlich oder gewollt professionell. Eine Gärtnerin kannte ich, die hatte von einer Tante einen ganzen Kasten alter Ballhandschuhe geerbt, und die bekamen nun ein neues, wenn auch kurzes Leben. Sie waren aus allerfeinstem, dünnstem Leder, weiß, und am Handgelenk hatten sie kleine Perlenknöpfchen, wahrscheinlich damit die Hand zum Küssen raus konnte. Die Handschuhbesitzerin entging so dem Dreck und hatte doch den richtigen Griff, wie sie es nannte. Außerdem reichten die Dinger bis über die Ellenbogen, so daß die Unterarme unversehrt blieben, und ihren manikürten Nägeln passierte nichts. Auch ihr Garten war, vor allem im Frühjahr, ziemlich makellos. Den Herbst verbrachte sie sowieso im Süden, in fremden, steinernen, immergrünen, sauberen Gärten.
    Gartenbesitzern, die den größten Teil des Jahres mit demSchmutz gekämpft haben, sind wenige Tage des Glücks gegönnt, manchmal sind es nur Stunden. Wenn sich nämlich nachts eine frische Schneedecke über den Kampfplatz gebreitet hat, alles ist ganz klar und rein, eine wunderbare Ordnung, die nichts stören darf, höchstens Vogelkrallenhieroglyphen sind zu ertragen. Das dauert nicht lang, man sollte es genießen und vielleicht anerkennen, daß man nichts dazu hat beitragen können. Man kann ihn auch nicht schützen oder verlängern, den wunderbaren Stillstand. Die weißen Reiffedern der Gräser und die klare Architektur der Büsche und Bäume, die in Watte nachgezeichneten Konturen der Beete – bald platscht es vom Dach, der Hund macht seinen Haufen, einer geht mit dreckigen Sohlen Holz holen, die Vögel veranstalten ihre possierliche Sauerei unter dem Vogelhäuschen, und das Leben geht weiter. Für kurze Zeit hat der Schmutzverächter das reine Glück erlebt, ein geschenktes und gleich wieder entzogenes Glück.

Flugsamen
    »achtlos wie Jahre gehäuft und der Wind schüttelt sie / unbekümmert herunter und hinab in die Zeit«
    Hilda Morley
    Als ich vor vielen Jahren meinen Garten in Besitz nahm, betrachtete ich im Frühling voll Zuneigung ein etwa suppenschüsselgroßes Plätzchen, auf dem sich glänzend gelbe Blümchen über fetten grünen Blättchen drängten. Wem das zu viele Diminutive hintereinander sind: Man kann die tückische Niedlichkeit dieses Gewächses gar nicht deutlich genug machen. Es gibt Entsprechungen in der Menschenwelt: Kleine, hübsche, nette Zeitgenossinnen, die sich mit den unausgesprochenen Worten: Es macht dir doch nichts aus? in unserem Leben breitmachen, Handtaschen, Geld und Männer ausleihen und nicht zurückgeben, kurz: Terroristinnen. Man sieht es ihnen nicht an. Man sieht es auch dem gelben Scharbockskraut nicht an: Es hat nichts Geringeres im Sinn als die Weltherrschaft. Allerdings wird es ab Mai unsichtbar und beschäftigt sich den Rest des Jahres mit der

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