Gartengeschichten
nächsten Jahr. Wo immer sie dann gebraucht werden wird.
Es liegt am Boden, an den Nachbarn, an der Geschichte der Gegend, was uns in den Garten geweht wird. Saurer Boden und naturverbundene Nachbarn sorgen verläßlich für die gelbe Pracht des Löwenzahns, der auf Kuhweiden wunderbar aussieht. Sobald die Schirmchen aber über unseren Garten geschwebt kommen, hilft nur ein früh angewendeter scharfgeschliffener Ausstecher, der auch gegen den breitblättrigen Wegerich und die Distel gute Dienste leistet. Natürlich kann man auch irgendwas über seine Rasenwiese – oder den Wiesenrasen, wem das lieber ist – schütten, das zuverlässig jedes Unkraut zum Verschwinden bringt. Im Normalgarten ist damit allerdings fast alles verschwunden, worauf man seinen Fuß gesetzt hatte. Dann fällt nicht selten die Entscheidung für Rollrasen. Man stellt sich den, ahnungslos, wie man ist, als eine Art immerwährend gleichmäßigen, einheitlich grünen Teppich vor, über den der Mäher mühelos gleitet.
Ein teurer Irrtum. Unter dem Rollrasen erholen sich die Samen unterschiedlicher Blumen und Kräuter von der chemischen Keule. Und im nächsten Jahr zeigen Ehrenpreis und Gundelrebe, Gänseblümchen, Margeriten und Kamille, ja, auch Löwenzahn, Kuckucksnelke (großer Glücksfall) und Hahnenfuß, wie wunderbar sie eine Woche lang aussehen können, bis sie die Köpfe abgemäht bekommen.
Was Rollrasen war, verwandelt sich unweigerlich wieder in das, was wir zuvor hatten. Nur werden wir nicht mehr mit dem Unkrautzeug anfangen. Und sind so wieder beim Ausstecher für Distel und Wegerich.
Flugsamen – das bedeutet Gäste im Garten, manche will man gar nicht wieder gehen lassen, andere loswerden, mit wieder anderen arrangiert man sich. Manche kommen regelmäßig und werden ein bißchen beseufzt, andere, wie Stars, lassen sich einmal sehen und dann nie wieder. So ging es mir mit einer Königskerze, die sich mit einer bepelzten Blattrosette angekündigt hatte und im darauffolgenden Jahr wuchs und wuchs und wuchs, in die Höhe, in die Breite, an einer unmöglichen Stelle – wunderschön. Es war, als hätte man Catherine Deneuve im Garten. Ein bißchen arrogant und raumgreifend, aber so blond, daß man alles verzeiht. Königskerzen sind eigentlich Steppenbewohner, wachsen verschwenderisch an Bahndämmen und anderen mageren Orten, im Garten passen sie zu nichts und sorgen für täglich wechselnde Schauspiele. Nicht nur, daß sie ein höchst kompliziertes System haben, ihre Blüten zu öffnen, und immer noch ein Stockwerk anbauen, wenn man denkt, sie seien längst fertig – sie führen auch für alle möglichen Falter und Vögel ein offenes Haus, die einem vorher noch nie die Ehre gegeben haben. Wie Artisten turnten kleine Finken an ihr herum, die Zaunkönige mochten sie, Tagpfauenaugen und Zitronenfalter, die sicheinen Spaß daraus machten, als Blüte neben den Blüten zu verharren. Die Königskerze war ein Blickfang und stach alles mögliche andere aus. Aber das war einmal. Sie säte sich bei mir nicht aus, und nie wieder hat sich eine eingefunden.
Anders die Kaukasusglockenblumen, von denen ich nicht weiß, ob sie mal jemand mitgebracht hat oder ob sie sich einfach so angesiedelt haben. Ein verläßlicher Gast, braucht zwar jedes Jahr mehr Platz, wie eine dicker werdende freundliche Cousine – ist aber sonst standorttreu und dekorativ. Je nach Laune bildet sie Polster oder Ranken, sie blüht ziemlich lang und läßt sich auch manchmal überreden, mit einem anderen Platz vorliebzunehmen.
Diese Art Gäste ist jedem Gartendiktator ein Greuel. Nicht als Spezies – man kann sich den designermäßigen Einsatz fast jedes Gewächses vorstellen: Denken Sie doch mal, die Königskerze in einem Ambiente von unbehauenem Granit und poliertem Mahagoni oder Gänseblümchen in makellosen Quadraten aus portugiesischen Fliesen –, sondern als Anarchie. Es sind unordentliche und schwer erziehbare Gäste, edel oder unedel, was bedeutet das schon? Daß ihre ökologisch korrekte Bezeichnung seit einiger Zeit Spontanvegetation heißt, macht die Sache nicht einfacher.
Ist ein Garten der Spontaneität zugänglich? Kann er es sein? Was wird aus unseren im Winter geborenen Phantasien aus Farben und Formen, aus all den Plänen und erträumten Experimenten, wenn, kaum daß es getaut hat, alle möglichen Vagabunden auf unseren winzigen Erdteil herunterschweben, ihn unter sich aufteilen und anfangen, um die Vorherrschaft zu raufen? Was haben wir, die Gärtner,
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