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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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auf der Schleife!
    Da stand: Cooky, laß uns im Himmel noch ein paar Engel übrig!
    Ist das nicht toll?
    Ich gab ihr recht.
    Sie oszillierte immer zwischen der Freude am Derben, an dreckigen Fingernägeln und dreckigen Geschichten, und andererseits dem Feinen, Vornehmen, Artifiziellen. Mit Blumen hielt sie es ähnlich, dem bäuerlich Üppigen gehörte ihr Herz genauso wie minimalistischer Strenge. Nur das Langweilige, gesellschaftlich Unbedenkliche – ein Dutzend Rosen mit Grün – war nicht ihre Sache.
    China war ihr Xanadu, das gelobte Land der allerdurchdachtesten Gärten, Politik hin oder her. Wahrscheinlich hielt sie Politik für weit unterhalb von Gärten angesiedelt. Sie durfte schon in den siebziger Jahren, viel früher als andere, ins verschlossene Reich der Mitte reisen und war dort bis in höchste Kreise wohlgelitten. Ihr Buch Die Gärten Chinas wurde ein Standardwerk und ein Erfolg. So ganz anders als unsere waren die, überließen nichts dem Zufall, waren philosophisch aufgeladen bis unter die höchsten Wipfel – das war was für sie. Aber ganz chinesisch wollte sie denn doch nicht werden und kam gern zu ihren heimischen Blumengeschichten zurück.
    Eine besonders ausufernde Trauerfeier hatte es ihr angetan, der ganze Großmarkt hatte herhalten müssen für den Kirchenschmuck. Ein Bankier war gestorben, hochbetagt, und grade rechtzeitig, bevor ihm die Banker und ein Teil seiner Familie sein vornehmes Geschäft ruinierten. Übrigens war es die Gärtnerin, die mir den Unterschied zwischen Bankierund Banker eindringlich klarmachte. Was ein Buchstabe ausmachen kann.
    Was sie an dieser Arbeit besonders freute, war, daß unmittelbar nach dem Hochgeehrten ein Obdachloser zu Grabe getragen wurde. Sämtliche Frankfurter Penner und Berber saßen einigermaßen beeindruckt in dieser letzten Blumenpracht, fanden aber, wie Marianne mir erzählte, irgendwie stünde ihnen das zu.
    Solche Geschichten liebte sie. Leider hat sie in dem Sekretär, der jetzt bei mir ist, wenige davon aufbewahrt. Er diente mehr der Ernsthaftigkeit, denn die war ihr sehr wichtig. Blumen nicht nur als Boten vergänglicher Schönheit und Leichtigkeit zu mögen, sondern ihre Bedeutungen, Verwendungen und Mythen aufzuzeichnen lag ihr am Herzen. Mir schien immer, als traue sie ihrer Mission nicht ganz, als wolle sie irgend etwas beweisen, über sich hinausgehen oder als jemand anerkannt werden, die zu sein sie nicht sicher war. Das klingt kompliziert, aber warum soll Blumen-Verkaufen und Schreiben zusammen nicht kompliziert sein? Das Symbolische, Numinose, ja, auch das Esoterische nahm sie in Gesprächen oft zu Hilfe, mit kleinen Rückziehern, wenn sie Verständnislosigkeit oder Abwehr beim Gegenüber spürte, aber auch mit dem leicht überlegenen Lächeln der Eingeweihten. Viele, viele handgeschriebene Seiten im Sekretär sind der Blumensymbolik gewidmet. Das war ein Lieblingsthema, ein Lebensthema für sie, auch durch ihre Erfahrungen in China. Die Bedeutung hinter scheinbar einfachen Dingen, die Aufladung des Natürlichen mit mystischer Energie, das ließ sich auch in einem Blumenladen finden, wenn man danach zu suchen verstand. Ich weiß nicht, wie und wo sie Jahre vor ihrem Buch über die Symbolik der Pflanzen Uwe Johnson kennengelernt hat, beide publizierten beim selben Verlag. Siehatte ihm offenbar etwas geschenkt, und sein Dankesbrief erzählt viel:
    Ihr Geschenk, die beiden Gegenstände, trug ich an jenem 28. Juni strikte seitlich neben mir, an wachsamem Zeigefinger, durch den ganzen weiten Flugplatz Frankfurt, und so durch den Zoll, bis zur bestreikten Underground von London, und wiederum entlang unterhalb des ganzen weiten Flugbetriebes Heathrow, und spendierte ihnen ein Taxi, als ich um viertel nach fünf ankam in Sheerness, dass sie es weitläufig hätten und nie auf Menschen stiessen. Um halb sechs kniete ich im Regen und grub und pflanzte. Seitdem täglich habe ich das Unternehmen mit Wasser bevorzugt; bis auf einen Abend, da lieh ich mir ein Gewitter, das hing schwefelgelb fest über der Themsemündung, rötlich beleuchtet von der tief westlichen Sonne, und regnete. Sie teilen sich, Ihren Vorschriften gemäss, einen Kubikfuss von Hand durchkneteter Erde und erregen meine Hoffnung, indem sie auseinander streben.
    Es war dies der einzige Brief von Uwe Johnson in Mariannes Sekretär, nicht besonders sorgfältig verwahrt, sondern im Couvert irgendwo zwischen staubigen Katalogen. Sonderbarerweise ist er mit Maschine auf Gästepost,

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