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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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Interhotel Astoria Leipzig- Briefpapier geschrieben. Der Autor hatte zu dem Zeitpunkt keine zwei Jahre mehr zu leben. Genauso alt sind am 19. März 1984, als man den Toten endlich in seinem Haus findet, jene zwei Pflanzen, die er am Zeigefinger in seine englische Ersatzheimat getragen hat.



Denn es müssen Pflanzen gewesen sein und keine Samen oder Zwiebeln, andererseits können sie nicht wirklich groß gewesen sein, die Briten machen bei der Einfuhr von Lebendigem gern Schwierigkeiten. Er muß die Gegenstände, wie er sie nennt, also geschmuggelt oder einfach verschwiegenhaben. Was könnte es sein, das so sorgfältig vorbereitete Erde und für den Anfang soviel Wasser braucht?
    Die Geschichte des Uwe Johnson war damals bestimmt eine Geschichte ganz nach Mariannes Herzen, mit einem glanzvoll und gänzlich unglücklichen Hauptdarsteller, einem schreibenden, der zwar grade einen viele Jahre währenden Schreibblock überwunden hatte, der aber nach eigenen Aussagen ein Beschädigter, ein Verunglückter war . Sie war vielleicht zu seinen Frankfurter Poetik-Vorlesungen im Jahr 1979 gegangen, auf jeden Fall hatte sie davon gehört, wie der Dichter seine Beschädigungen einkreiste und sich ihnen stellte, und daß sie mit der Liebe zu tun hatten, wußte sie auch. Mit Liebe und Verrat. Johnsons bitteres Ehedrama war damals Gesprächsthema in intellektuellen Kreisen.
    In ihren Pflanzenaufzeichnungen fahndete sie immer wieder nach Symbolen für dieses Begriffspaar: Liebe und Verrat. Sie erforschte nicht ohne Gründe die Zusammenhänge zwischen Pflanzen und menschlichen Eigenschaften, so, als wolle sie einer naturgegebenen Zwangsläufigkeit menschlicher Verhängnisse auf die Schliche kommen. In ihrer zimperlichen Schrift ordnete sie Rosen und Chrysanthemen, Ginkgo und Beifuß und hundert anderen Gewächsen Bedeutungen zu, die über pharmakologische weit hinausgehen.
    Was für zwei Gegenstände mag sie Johnson damals im Juni 1982 mitgegeben haben? Die seine Hoffnung erregen, indem sie auseinander streben? Ist das Auseinanderstreben die einzige Lösung, ein Ziel, aufs innigste zu wünschen, damit man sein Leben retten kann? Welchem Pflanzenpaar gelang das unter seiner Aufsicht?
    Liebe spielte eine Rolle im Leben der schreibenden Gärtnerin Marianne und hinterließ gelegentlich deutliche Spuren in ihren Texten. In denen hätte sie im Grunde nichts verlorengehabt, es ging um Fachbeschreibungen, botanische, gärtnerische Themen – aber es kam vor, daß man zwischen ihren Sätzen die Liebe förmlich hervorquellen sah. Dann hatte sie jemanden kennengelernt, und es gab für eine gewisse Zeit Anspielungen und eine noch stärkere Neigung zu Symbolik. Ich nehme an, daß sie am meisten von aussichtslosen Gefühlen beflügelt wurde, also wenn die Objekte ihrer Zuneigung sehr jung, sehr alt, gebunden oder an Frauen nicht interessiert waren. Ob sie damals mit Uwe Johnson, der auf die Wirklichkeit seiner Liebe sein Leben verpfändet hätte, über das Unglück gesprochen hat? Ob ihr sein Scheitern – sei in die Vorräte der Erinnerungen eine Sperre eingestanzt: Unwahr. Falsch. Vergiftet. Entwertet. Ungültig – wie eine Bestätigung ihrer schwebenden, uneingelösten Lieben vorgekommen sein mochte?
    In seinem Dankeschönbrief aus Sheerness-on-Sea vom 5. Juli 1982 heißt es nach dem Satz vom Auseinanderstreben ziemlich unvermittelt:
    Mir ist ein Schnack erzählt: Im Westfälischen hätten zwei alte Bäume, Kastanien glaube ich, ganz allein eine Wiese vor einem Kirchhofe bewohnt, gedeihend in der wechselseitigen Gesellschaft und Unterhaltung über zwölf Meter hinweg. Dann liess die Dorfgemeinde, um die Durchfahrt der fremden Autos zu beschleunigen, die Strasse so verbreitern, dass einer der Bäume gefällt und auch sonst ermordet wurde; worauf der vereinsamte Geselle zu kümmern begann und abstarb binnen zweier Jahre Frist. Was sagt Ihre Wissenschaft zu diesem ehelichen Märchen, dieser symbiotischen Legende?
    Johnson versteckt sich im ganzen Brief, besonders aber in dieser Passage, hinter einem altertümelnd-märchenhaften Ton, vielleicht der Versuch, sich vom lebensbedrohlichenThema abzusetzen, es nicht in seiner ganzen Wucht an sich heranzulassen.
    Ein Jahr zuvor hatte er in einer Festschrift für Max Frisch seine Geschichte mit verändertem Namen und veränderter Epoche, aber sonst unerträglich genau erzählt. Und da steht, seinem Alter ego Hinterhand zugeordnet, was Johnson fühlte. Gar nicht märchenhaft oder altertümelnd, aber wie ein

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