Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)
und wenn’s schlecht ist, dann denke ich: So ein Quatsch.«
»Meinst du nicht auch, dass es einiges gibt, das sich mit unserem logischen Verstand nicht erklären lässt?«, fragte Marie. »Ich zum Beispiel lege regelmäßig Tarotkarten. Das hat mir schon oft geholfen, die Dinge besser zu verstehen.«
»Du legst Tarotkarten?«, rief Franca überrascht aus.
»Suchen wir nicht alle nach irgendeiner Wahrheit? Nach Antworten, die wir in der Realität nicht finden? Mir hilft dabei das Tarot. Aber um mich geht es hier ja nicht.« In Maries Stimme hatte sich eine dezente Härte eingeschlichen, als ob sie sich verteidigen wollte. »Davina ist eine Suchende. Seit ihrem siebten Lebensjahr ohne wirkliche emotionale Bindung. Die einzige Bindung, die für sie existent ist, ist die zu ihrer Mutter. Aber die ist nicht greifbar, also versucht sie mit allen Mitteln, Kontakt zu ihr herzustellen. Das kann man doch verstehen, oder?«
»Sicher kann man das, aber …«
»Dann hat sie Mario kennengelernt. Ein hübscher, junger Mann, in den sie sich verliebte. Aber nicht nur das. Er hat ihr erklärt, dass er Visionen und übersinnliche Fähigkeiten besitzt und dass er in der Lage ist, Kontakte zu Menschen aufzunehmen, auch wenn sie sich weit weg aufhalten.«
Franca runzelte die Stirn. »Aber das ist doch Humbug!«, rief sie voller Unmut.
»Und wenn? Um solche Gedanken nachvollziehen zu können, muss man sich auf diese Ebene begeben. Aber vor allem muss man die Einsamkeit dieses Mädchens begreifen.«
»Du meinst, sie gehörte keiner Gruppe an?«
Marie lachte leise. »Ich merke schon, du hast Olivers Theorie von den bösen Satanisten übernommen.«
»So kann m an das nicht sagen. Ich mache mir durchaus meine eigenen Gedanken«, erwiderte Franca schärfer als beabsichtigt.
»Davina ist kein Gruppentyp. Wirklich nicht. Sie ist Einzelgängerin, das hat sie mir mit jeder ihrer Aussagen zu verstehen gegeben. Aber Oliver lässt sich nicht davon abbringen, ich weiß das. Seiner Meinung nach gehört jeder Jugendliche irgendeiner Peergroup an. Gleichwohl hat sie nach einem Halt gesucht. Nach jemandem, der ihr zuhört und sie versteht. Und den hat sie in einem Menschen gefunden, nämlich in Mario.«
Franca hörte ihr aufmerksam zu.
»Da war plötzlich ein Mensch, einfühlsam und verständnisvoll, und der verspr ach ihr, dass er Kontakt mit ihrer verschollenen Mutter aufnehmen kann. Er übermittelte ihr genau die Botschaften, nach denen sie sich ein Leben lang gesehnt hat. Und sie war nur allzu bereit, daran zu glauben.«
Franca sah Marie ein wenig ratlos an. »Was hat er ihr denn alles erzählt?«
»Die wichtigste Botschaft war wohl, dass ihre Mutter am Leben sei.«
»Aber das hat der sich doch aus den Fingern gesogen. Und das muss Davina irgendwie geahnt haben. Das Mädchen ist doch nicht dumm. Wo hat sie denn die Papiere ihrer Mutter her, und wieso bewahrt sie die auf? Tut mir leid, aber solch eine Denkweise ist mir völlig fremd.«
»Das geht nur, wenn man vieles, was einem logisch erscheint, ausblendet. Ich weiß.« Marie nickte.
»Was hast du eigentlich mit ihrer Athame gemacht?«, fragte sie nach einer Weile.
»Ich habe sie zur KTU gegeben. Frankenstein hat sie inzwischen untersucht. Er hat Blutspuren festgestellt, aber sie stammen nicht von Mario Reschkamp.«
Marie lachte leise. »Hast du gedacht, sie bringt ihren Retter um? Denjenigen, der ihr Zugang zur Welt ihrer Mutter verschafft hat?«
»Aber das ist doch …«, rief Franca aus. Dann brach sie ab und stützte ihren Kopf in die Hände. »Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich denken soll.«
»Das Mädchen ist todunglücklich.« Marie strich sich eine dunkle Strähne hinters Ohr. »Ich glaube, die würde eher sich selbst umbringen. Hast du die Narben an ihren Armen gesehen?«
Franca nickte.
»Ich sehe ziemlich oft solche Verletzungen. Und diejenigen, die sich so was antun, scheinen immer jünger zu werden.« Marie spielte mit ihren Händen, zeichnete Kreise auf das Tischtuch. »Ich glaube, dass die jungen Leute es heutzutage schwerer haben als die Generationen vor ihnen. Alles ist so unübersichtlich geworden. Nirgends gibt es Sicherheit oder Halt. Selbst wenn sie sich in der Schule anstrengen, kann ihnen niemand einen Ausbildungsplatz oder Job garantieren. Viele trinken oder nehmen Rauschgift. Früher waren das vorwiegend Jungs. Inzwischen haben die Mädchen mächtig aufgeholt. Nicht nur, was Drogen, sondern auch, was Gewalt und ihre Folgen angeht. Das erlebe ich
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