Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)
Sie grinste.
»Diese Erklärung überlasse ich gerne dir. Aber wenn du möchtest, lege ich dir die Karten. Vielleicht bringt das deinen Vorhang endgültig dazu, sich zu öffnen.«
»Lieber nicht.« Franca stand auf. »So, und jetzt gehe ich nach Hause. Ich hab schon viel zu viel gequatscht.«
14
»Was ist passiert in jener Nacht, als Ihre Tochter verschwand?«
Franca beugte sich über den Tisch. Bereits zum vierten Mal hatte sie diese Frage gestellt. Eine harte Anforderung an ihre Geduld.
Ihr gegenüber saß Helene Kayner. Vor ihr auf dem Tisch lag ihre Brille. Das Aufnahmegerät lief. Die Spulen drehten sich und nahmen Schweigen auf. Seit zehn Minuten nichts als Schweigen und lautlos geweinte Tränen.
»Frau Kayner. Bitte. Reden Sie mit uns.« Franca bemühte sich, ihre Ungeduld im Zaum zu halten.
Endlich sah die Frau hoch. Mit feuchten Augen sah sie Franca an. »Sie wissen nicht, wie sie war. Sie können sich das nicht vorstellen. Niemand, der so etwas nicht erlebt hat, kann das. Diese Egozentrik, diese Ich-Bezogenheit. Nie dachte sie an andere. Es hieß immer nur ich, ich, ich.« Mit einem Taschentuch fuhr sie sich über die Augen. »Wissen Sie, was mein Mann immer gesagt hat? ›Lieber kein Kind als so eins‹, hat er gesagt. Es ist schlimm, wenn man so was über seine eigene Tochter sagen muss. Aber er hatte recht. Lieber kein Kind als so eins.«
Franca tauschte Blicke mit Hinterhuber. Mit einer kleinen Kopfbewegung bedeutete sie ihm, zu übernehmen.
Hinterhuber stützte die Hände auf den Tisch und beugte sich ein wenig nach vorn. »Frau Kayner. Ich denke, wir können uns inzwischen ganz gut ein Bild von Patricia machen. Würden Sie uns bitte erzählen, was in jener Nacht geschah?«, fragte er eindringlich.
Sie putzte sich geräuschvoll die Nase. Ihre nackten, geröteten Augen huschten von Hinterhuber zu Franca. »Sie kam spät nachts nach Hause«, begann sie stockend zu erzählen. »Sie war wieder mal auf Kneipentour gewesen. Das war ich gewohnt. Auch, dass sie danach irgendeinen Kerl mit nach Hause brachte und ihn mit in ihr Schlafzimmer nahm.«
»Kannten Sie den Mann?«
Sie schüttelte den Kopf. »Irgend so ein Hallodri. Sie war nicht sehr wählerisch.«
»Ihre Tochter hatte also wechselnde Herrenbesuche. Ist das richtig?«
Franca bewunderte Hinterhuber. All die Nervosität und Ungeduld der letzten Tage und Wochen schienen von ihm abgefallen. Hier war er wieder ganz der Alte. Ein bedachtsamer Polizist, der die Dinge auf den Punkt brachte und den so schnell nichts aus der Ruhe bringen konnte.
»Es war so billig. Vor allem vor dem Kind.« Helene Kayners Stimme war voller Abscheu. »Sie hat überhaupt keine Rücksicht genommen. Auf mich nicht und auf das Kind schon gar nicht. Davina schlief direkt im Zimmer nebenan. Sie muss alles mitbekommen haben, so, wie die sich immer aufführte.«
»Patricia und dieser fremde Mann waren also zusammen im Schlafzimmer. Wie lange ist er geblieben?«
»Das weiß ich nicht mehr genau. Irgendwann sind die beiden im Haus herumgegeistert. Patricia hat laut gelacht, und der Mann hat sie ständig gemahnt, leise zu sein. Aber sie hat nicht darauf gehört. Dann ist die Tür ins Schloss gefallen, und sie hat sich ans Klavier gesetzt und gespielt.«
Franca suchte Hinterhubers Blick. »Der Mann ist also gegangen«, konstatierte sie. »Und Patricia hat mitten in der Nacht Klavier gespielt.«
»Ich sage Ihnen doch, dass die keinerlei Rücksicht genommen hat.« Mit einem Mal wurde ihr Gesicht hart. »Als sie anfing zu spielen, hallte es durch das ganze Haus. Da ist mir der Kragen geplatzt. Ich bin aufgestanden und runtergegangen. Ich habe sie aufgefordert, sofort aufzuhören. Sie hat mich nur ausgelacht. Sie hat te getrunken. Und sie hat furchtbare Sachen zu mir gesagt. Es war so schrecklich … und sie hat einfach weitergespielt. Immer dieses eine Lied.« Ihre Brust hob und senkte sich. Sie atmete schwer.
» Was geschah dann?«
Ihr Gesicht verschloss sich. »Ich weiß es nicht mehr.«
»Frau Kayner.«
Man sah ihr ihren inneren Kampf an. Wie sie auf den Lippen kaute, ans etzte, etwas zu sagen, den Mund wieder schloss. Wie sie die Hände unruhig in ihrem Schoß bewegte.
»Haben Sie Ihre Tochter getötet?« Die Frage aus Hinterhubers Mund klang merkwürdig sachlich.
Sie begann mechanisch zu nicken. Ihr Kopf wackelte vor und zurück. »Ich war außer mir«, flüsterte sie schließlich. »Ich … nahm den Schürhaken. Vom Kaminbesteck.«
Sie senkte den Kopf. Das Kinn
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