Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)
Atem an. Die Umrisse eines vertrauten Gesichtes schweben in ihr Blickfeld.
»Hallo, meine kleine Zigeunerprinzessin«, flüstert Patricia zurück. »Ja, ich bin da. Ich bin hier, bei dir.«
»Spielst du mir das Lied? Dein Lied, das du immer am Klavier gesungen hast?«
Aber das Lied ist schon da. Die Melodie und Mamas Stimme vermischen sich mit dem Geräusch des fallenden Regens. Deutlich kann sie die Worte hören, von Mama gesungen. Auf Davinas Gesicht erscheint ein Lächeln. Sie fällt in Patricias Gesang ein.
»… I don’t care if it’s right or wrong, I don’t try to understand. Let the devil take tomorrow. ’Cause tonight I need a friend. «
Patricia schlägt die Bettdecke zurück und steht auf. Sie trägt kein Nachthemd, sondern das weiße, fast durchsichtige Kleid. Als sie die Hand hebt, klirren leise die Glasperlenschnüre, die sie um die Arme gewickelt trägt. Die Luft um sie herum ist weich und flirrend. Ihr Singen geht in ein Flüstern über.
» I don’t want to be alone. Help me make it through the night.«
»Mama«, sagt Davina leise und lächelt. Mit einer zärtlichen Geste streicht Patricia ihrer Tochter das Haar aus dem Gesicht. Das Zimmer ist ein Kokon, der die Welt draußen lässt. Nichts zählt mehr. Da sind nur noch Tochter und Mutter. Eine das Spiegelbild der anderen.
»Komm, wir tanzen einen Reigen«, fordert Patricia sie auf. Sie fassen sich bei den Händen und drehen sich im Kreis. Davina wird schwindelig. Doch es ist schön. So schön. Sie ist eins mit den Bildern in ihrem Kopf, die nie mehr ausgelöscht werden können.
»Nichts kann uns mehr trennen. Wir werden immer zusammenbleiben«, flüstert Patricia. »Hab ich’s dir nicht gesagt, dass man ganz fest an etwas glauben muss, und dann wird es wahr?«
Einen winzigen Moment lang schießt Davina durch den Kopf, dass dies jemand anderes zu ihr gesagt hat. Nicht Mama. Doch es spielt keine Rolle. Es ist eine Gewissheit, die fest in ihrem Kopf verankert ist.
»Ich bin glücklich«, formen ihre Lippen. »Wahnsinnig glücklich.«
18
»Hallo, Franca.« Fredy Geisen stand in der Tür. »Hast du einen Moment Zeit?«
Franca sah hoch in sein vertrautes und doch irgendwie fremdes Gesicht, in das sich eine gewisse Härte eingeschlichen hatte. Vielleicht hatte sie diese Härte früher nicht wahrgenommen. Vielleicht hatte sie überhaupt Fredy als einen anderen wahrgenommen, als er war.
»Was gibt’s?«, fragte sie und wies auf den Besucherstuhl. »Kaffee?«
»Nein, danke.« Er setzte sich.
»Ich wollte dir nur sagen, wie weit wir im Fall Lilly Prekow gekommen sind.«
»So feierlich«, sagte Franca mit Sarkasmus in der Stimme. »Sie war doch nur eine Drogentote.«
»Ich weiß, dass du mich für gefühlskalt hältst«, sagte er und sah auf seine Finger. Es waren schöne, gepflegte Hände, mit denen er einst auf ganz besondere Weise ihren Körper berührt hatte.
»So würde ich es nicht unbedingt ausdrücken«, meinte sie. »Ich würde es eher so sehen: Für dich gibt es nur einen Menschen, der wirklich zählt. Und das bist du.«
Er ging nicht auf die Provokation ein. »Es spricht einiges dafür, dass Lilly kurz vor ihrem Tod vergewaltigt wurde. Der Täter hat ein Kondom benutzt, sodass wir keine Spermaspuren sichern konnten. Aber ich werde alles tun, um herauszufinden, was da passiert ist.«
»So viel Mühe machst du dir?«
»Franca, würdest du bitte mit diesem Sarkasmus aufhören? Du weißt genau, dass ich meine Arbeit ordentlich und gewissenhaft erledige. Dass ich die Dinge nicht so nah an mich herankommen lasse, ist lediglich Selbstschutz. Sonst könnte ich diese Arbeit nicht mehr lange ausüben.« Sein Blick ruhte fest auf ihr. Es war ein offener, ehrlicher Blick. Im Grunde genommen wusste sie, dass er recht hatte.
»Entschuldige«, sagte sie leise.
»Wir halten es für möglich, dass sie sich den goldenen Schuss nicht selbst verpasst hat«, fuhr er fort.
»Du meinst, sie ist ermordet worden?«
»Vielleicht.« Er hob die Schultern. »Wir bleiben jedenfalls am Ball.« Er stand auf. »Ja, das war’s eigentlich, was ich dir sagen wollte.« In der Tür drehte er sich nochmal um. »Hättest du Lust, mal wieder mit mir essen zu gehen?«
Epilog
Die Temperaturen waren gesunken. Der Geruch von Schnee lag in der Luft, und die Sonne schien von einem strahlend blauen Himmel. Nach etlichen trüben Tagen mit Schmuddelwetter begann sich der Winter endlich von seiner angenehmen Seite zu zeigen.
Maries Auto stand bereits auf dem
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