G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke
Er sah einen Weißen in einem makellosen grauen Anzug, der über ihm stand. »Roy?«
»Halli, hallo, Sonnenscheinchen«, sagte Roy. Auch Roy hatte einen Blechbecher voll Bleistifte in der Hand. »Kann's gleich losgehen?«
»Hier is seine Uhr, Boss«, sagte Arnos und reichte Claytons Rolex rüber. Roy warf einen Blick darauf.
»Null Uhr neunundfünfzig«, sagte er. »Sagen wir ruhig eins. Andy, stell den Timer im Halsband auf Donnerstag, ein Uhr mittags.« Roy nickte Clayton zu.
»Sechsunddreißig Stunden, Meister.«
»Was soll das?« flehte Clayton. »Was soll das?«
»Ein Test«, sagte Roy. Er rasselte mit den Bleistiften. »Das ist ein Test.«
12
Ich hoffe, niemand wird mir erzählen, Männer, wie ich sie schildere, gäbe es gar nicht. Daß dieses Buch geschrieben - und veröffentlicht - wurde, ist mein Beweis dafür, daß es sie doch gibt.
Ayn Rand, Nachwort zu Atlas wirft die Welt ab
Winston schreckte im Bett zurück ... O'Brien verzog die Mundwinkel zu einem blassen Lächeln, als er auf ihn herabsah.
»Ich hab's dir doch gesagt, Winston«, sagte er, »daß Philosophie nicht deine starke Seite ist. Das Wort, an das du dich zu erinnern versuchst, ist >Solipsismus<,..«
George Orwell, 1984
2003: Der Papst der Vernunft
Atlas wirft die Welt ab : ein griffiger Titel, kombiniert mit einem l\ nackten weißen Umschlag, der sich von den knalligen Karnevalsfarben der Science-fiction-Taschenbücher, zwischen denen es manchmal eingestellt wurde, deutlich abhob. Während ihres zweiten und dritten Studienjahrs war Joan Fine beim Herumstöbern in den Buchläden am Harvard Square mehrfach auf Ayn Rands Hauptwerk gestoßen, doch hatte sie es jedesmal nach flüchtigem Überblättern seiner eintausendvierundachtzig engbedruckten Seiten wieder ins Regal zurückgeschoben. Die reine Masse an Text faszinierte sie - mit so einem dicken Buch konnte man jemandem praktisch den Schädel einschlagen -, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wovon es handelte. Jedesmal wenn sie an Atlas vorbeiging, gelobte sie stillschweigend, es eines Tages zu lesen, ebenso wie sie immer gelobte, eines Tages auch dieses andere dicke Buch zu lesen, von dem Typ, wo niemand ein Bild von schießen durfte. Aber hätte ihr nicht ein glücklicher Zwischenfall von fleischlicher Lust einen Schubs gegeben, wäre sie möglicherweise nie dazu gekommen.
Joan lernte Archie Rerrigan im November 03 kennen, während sie Recherchen für eine Seminararbeit über die bundesgesetzliche Regelung der industriellen Nutzung gentechnischer Verfahren anstellte. Kerrigan war ein Konservativer aus Arkansas, ein rechtsgerichteter Sponti-Einzelkämpfer, dessen Lieblingszeitvertreib darin bestand, die Bluthunde des Linken Gottes auf falsche Fährten zu locken. Skandalöse Berühmtheit hatte er erlangt, als er in einem Leserbrief an den Harvard Red wegen Hinaushängens der Konföderiertenfahne aus seinem Wohnheimfenster der »Verherrlichung der Sklavenhalterordnung« bezichtigt worden war. Die progressive Studentenschaft hatte schnell mobil gemacht und sowohl ihre Empörung kundgetan als auch die Beseitigung der Fahne gefordert, nur um schlagartig ganz dumm dazustehen, als auf dem Höhepunkt einer Kerzenmahnwache ein vorübergehender Pol.-Wiss.-Haupt-fächler darauf hingewiesen hatte, daß es sich bei Kerrigans rassistischer Konföderiertenfahne in Wirklichkeit um den Union Jack handelte. Wie es der Zufall so wollte, war ein Fotograf der National Review zur Stelle und verewigte den bedripsten Abgang der Schamroten; der Äoffing-Sione-Kolumnist P. J. O'Rourke verstärkte ein paar Wochen später das allgemeine Hohngelächter mit einem Artikel über »Bostons ignorante Elite: Warum's so schwer ist, Tee von Bourbon zu unterscheiden«. Als ihnen - leicht verspätet - dämmerte, man habe sie möglicherweise reingelegt, nahmen sich die Flaggenstürmer den Har- t/ard-TM-Leserbrief, der ihre Protestaktion überhaupt erst ausgelöst hatte, noch einmal vor. Als Absender stand darunter »A. K«.
Schon allein mit diesem hinterhältigen Streich hatte sich Kerrigan einen Ehrenplatz im letzten Kreis der Linken Hölle gesichert. Aber verdammt oder nicht, war Archie ein hervorragender Biochemiestudent, der zudem das Aus-Gen-mach-Geld-Business aus eigener Anschauung kannte: Er hatte zwei Sommer lang bei PhenoTech gejobbt, einem Gen-Designer-Studio, gegen das die Stadt Boston gerade einen Prozeß wegen grober Fahrlässigkeit anstrengte. Joan dachte sich, er würde einen ausgezeichneten
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