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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Washington Heights war ein - größtenteils von Weißen und ruhigen Asiaten bewohntes - Reservat bürgerlicher Wohlanständigkeit, in dem die Verbrechensquote, wenn man von Steuerhinterziehung absah, praktisch gegen Null strebte; aber eine Wohngegend, die es zuließ, daß an ihrem Rand ein Ghetto gedieh, würde nicht lange sicher bleiben.
    Er ließ sich vom Taxifahrer einen Block zu früh absetzen, so daß er das letzte Stück bis nach Haus durch den angrenzenden Park spazieren und die Krokodilstränen des Banker's Holiday in der kühlen Nachtluft trocknen lassen konnte. Im Sommer hätte er anderen Nachtschwärmern begegnen können, aber jetzt im November hatte er den Park um diese Uhrzeit ganz für sich allein - dachte er jedenfalls.
    November. War es schon November? Ja - nach dem Zeigerstand seiner Armbanduhr seit sechsundfünfzig Minuten. Eine Girlande von papiernen Kürbislampions, die in den Zweigen eines orangebelaubten Ahorns hing, erinnerte Clayton daran, daß es auch Halloweennacht war, was die extravaganten Outfits erklärte, die ihm in den Klubs aufgefallen waren, ganz zu schweigen von den Katzenschnurrhaaren im Gesicht seiner Tanzpartnerin, die er für eine Halluzination gehalten hatte.
    Der Wind frischte böig auf; ein weggeworfener Süßigkeiten-sammelsack wehte, von einem Minitaifun aus trockenem Laub mitgerissen, heran. Clayton bückte sich und hob ihn auf. Schokolade war toooll , meinte ein grinsendes Gespenst, das den Sack zierte. Ein kurzer Blick hinein ergab nichts Tooolles, nicht einmal ein Bonbonpapierchen. So'n Pech. Clayton selbst war zu Halloween nie Süßigkeiten sammeln gegangen. Sein Vater war aufs schärfste gegen jede Art von Bettelei gewesen und hatte den Standpunkt vertreten, rasierklingengespickte Apfel wären vom sozialdarwinistischen Blickwinkel aus gesehen die ideale Hallo-ween-Gahe; die Nachbarskinder hatten gelernt, am 31. Oktober einen Bogen um das Brycesche Haus zu machen - und an jedem anderen Tag des Jahres auch.
    »Schön«, sagte Clayton und knüllte den Sack zusammen. Er schmiß ihn ins abgestorbene Laub zurück, und genau da sah er den ersten Neger.
    Er war direkt vor ihm aus der Dunkelheit getreten und versperrte ihm den Weg. Im ersten Moment machte er ihm nicht im mindesten angst. Ein Pakistani oder ein Araber wäre etwas anderes gewesen, aber Neger betrachtete Clayton als Bürogeräte, nicht furchterregender als Kaffeemaschinen. Dieses bestimmte Gerät allerdings trug einen billigen braunen Anzug und eine Melone - eindeutig keine Standardausstattung - und hielt etwas in der Hand, etwas Klapperndes: einen Blechbecher. Einen Blechbecher voll ungespitzter Bleistifte, Härtegrad 2.
    Clayton schaute zurück dahin, wo er hergekommen war. Ein zweiter Neger, gekleidet wie der erste, hatte sich ihm von hinten genähert. Ein Stück weiter den Weg hinauf, am Eingang des Parks, war ein Negerzwerg in Frisörskittel gerade dabei, das Tor züzuketten.
    Das reichte für einen Schweißausbruch. Clayton drehte sich wieder Neger eins zu und fragte sich, ob die anderen Parkeingänge wohl schon abgeschlossen waren, fragte sich auch, wer diese Dinger wohl steuerte. Jemand, der sich einen Halloween-Scherz erlaubte? So war's bestimmt. Und es bestand sowieso kein Grund zur Besorgnis, denn schon diese geringfügige Belästigung mußte eigentlich die absolute Obergrenze dessen darstellen, was die Verhaltensinhibitoren noch durchgehen ließen. Sie waren bestimmt außerstande, ihm etwas anzutun, und wenn er einfach weiterging -
    Amberson Teaneck, dachte er.
    Neger Nr. eins ließ die Bleistifte im Blechbecher klappern.
    »O Scheiße«, sagte Clayton und verspürte einen Stich. Nur einen Nadelstich, über dem rechten Schulterblatt, aber die Wirkung war so, als hätte er den Kopf in einen Eimer Banker's Holi-day getunkt. Er fiel hilflos auf die Knie, blinzelte wütend. Er hörte eine Negerstimme: »Mann eh, Mufti, has'ja schon wieder ins Schwarze getroffen.« Und eine Erwiderung: »Hab ja auch geübt, Andy.«
    Clayton stöhnte auf. Jetzt standen sie alle um ihn herum und kramten in seinen Taschen; er hatte keine Kraft, sie abzuwehren. Er hörte eine neue Stimme - diese klang weiß und vertraut - Befehle geben: »Sieh zu, daß du ihm auch alle Papiere abnimmst, Arnos. Alle Wertsachen und Schlüssel. Ich streiche ihm gleich sämtliche Guthaben. Shorty! Schaff die Schminksachen rüber! Mufti, bring den Zungentacker her.«
    Mit größter Mühe richtete Clayton den Kopf auf und stellte die Augen scharf.

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