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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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York Public Library - fahren wollen, aber eine Vorahnung veranlaßte Joan, sich einen Augenblick Zeit zu nehmen und zuerst zu Hause anzurufen. Motley Nimitz, einer der ausgeglicheneren Mieter, die tagsüber im Asyl mithalfen, berichtete ihr, was in den wenigen Stunden ihrer Abwesenheit vorgefallen war.
    Kite brauchte kaum zu fragen. »Maxwell?«
    »Maxwell«, bestätigte Joan. Sie nahmen sich ein Taxi und fuhren runter in die Bowery.
    Im Vergleich Zu einigen Dingern, die Maxwell in der Vergangenheit angestellt hatte, war dieser jüngste Unfug gar nicht mal so schlimm. Er hatte die gesamte Einrichtung seines Zimmers in einer Ecke gestapelt und mit grüner Gesichtsfarbe ein Fresko auf die Wand geschmiert. Das Fresko stellte eine babelartige Zikkurat dar, über deren Spitze ein einzelnes, riesiges Auge schwebte, das nach allen Richtungen Elektrizitätsblitze ausstrahlte. Wie die Bildunterschrift erklärte, war es Das Auge von Afrika ; außerdem standen da noch ein paar Wörter in einer Sprache, die Joan nicht identifizieren konnte. In der rechten unteren Ecke des Freskos wurde eine schreiende Comicmaus von einer geballten grünen Faust in einen feurigen Abgrund gezerrt.
    »Hat sich Maxwell gestern abend einen Kriegsfilm im Kabelfernsehen angeschaut?« fragte Joan. »Vielleicht einen mit nackten Leuten drin?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Motley. Um etwas Sachdienliches beizusteuern, fügte er hinzu: »Ich glaub, Hogan's Heroes ist wieder im Programm.«
    Zur Entfernung von Graffiti hatte Joan in ihrem Büro einige giftige Reinigungsmittel auf Lager. Sie schickte Motley los, sie zu holen, und dadurch kam heraus, daß Maxwell den Cray PC gestohlen hatte. Er hatte auch auf der Platte von Joans Schreibtisch eine Fingerzeichnung hinterlassen - diesmal eine Balkenwaage, auf der das Auge von Afrika gegen die Comicmaus abgewogen wurde; die Maus schwang mit satanischem Grinsen eine Sense, aber der Waage zufolge war das Auge schwerer.
    »Iiogan's Heroes, hm?« sagte Joan und machte sich ans Wischen. Sie dachte daran, die Polizei zu benachrichtigen, aber Kite sprach sich dagegen aus: »Er kommt schon von selbst zurück, Joan - ist doch immer so -, und ich halte es für besser abzuwarten, als ihn von der Straße herschleifen zu lassen. Nicht, daß ich eine Expertin wäre, aber ernsthaft, wieviel Schaden kann er mit einem PC schon anrichten?«
    Als sie endlich in der Bücherei ankamen, war es schon später Nachmittag. Kite ging ins Magazin und machte sich auf die Suche nach einem Buch mit der Katalognummer 171.303 607 949 6; Joan begab sich in den Zeitschriftensaal, um nach einem Nachruf zu suchen.
    Kein Zweifel, John Hoover war tot, und sein im Nachruf abgedrucktes Foto, das anläßlich seiner Verabschiedung von Gant Industries aufgenommen worden war, wies nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Mann auf, der jetzt das Lebkuchenhaus in Atlantic City bewohnte. »John Elliot Hoover«, las Joan in den Online-Todesanzeigen der Times, »1926-2010.« Der greise Hoover war ein verschrumpelter Mann mit Backpflaumengesicht und einem weißen Wahnsinniger-Wissenschaftler-Haar-schopf gewesen; er sah nicht wie die Sorte Mensch aus, der sich einen - Mechanischen oder sonstigen - Hund halten würde, wenngleich Joan ihn sich durchaus dabei vorstellen konnte, wie er einen auf jemanden hetzte. Außer als Mitarbeiter von Disney und Gant Industries würdigte ihn die Times als einen hervorragenden Mathematiker, Ingenieur und Computerfachmann. Der in einem ländlichen Teil Oregons geborene Hoover hatte nach einem Studium an der University of California, Los Angeles, bei der Nachrichtentruppe der US Army als Kryptologe gearbeitet, bis er durch Zufall in Burbank, in der Straßenbahn, Walter Disney kennengelernt hatte, was der Beginn seiner neuen, fünfzigjährigen Laufbahn als Konstrukteur von Robotertieren und anderen Attraktionen für Vergnügungsparks gewesen war. 2005 hatte er, nachdem das Disney-Management zu dem Schluß gelangt war, Hoovers Selbstmotivierender Android habe, so interessant er auch sei, keine reellen Absatzchancen, sein Patent und seine Dienste Harry Dennis Gant angeboten; dieser hatte den Androiden sofort als die klasse Idee erkannt, die er auch war, und ihn zu einem der erfolgreichsten Produkte des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts gemacht. Hoover war drei Jahre bei Gant geblieben und hatte während dieser Zeit noch die erste Generation seines jüngsten Geistesprodukts aus der Taufe gehoben. Mit Berufung auf gesundheitliche

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