G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke
unmöglich eine solche Nervensäge gewesen sein.«
»Ich kann nichts dafür«, sagte Ayn, »wenn Ihre Angst vor der Wirklichkeit Sie dazu bringt, strenge Objektivität als Nervensä-gentum zu erleben.«
»Ayn, ich bin nicht diejenige, die Angst vor der Wirklichkeit hat.«
»Ach nein?«
»Nein. Ich mag die Wirklichkeit. Zugegeben, es gibt bestimmte Aspekte von ihr, die ich gern verändern würde, aber ich fühle mich mit ihr wohl. Sie sind diejenige, die ein Problem damit hat.«
»Ich?«
»Für logisches Denken eintreten ist eine Sache«, sagte Joan. »Ich bin eine begeisterte Anhängerin des gesunden Menschenverstands, und ich nehme gern so viel Objektivität mit, wie ich kriegen kann und wo immer ich sie kriegen kann. Aber der Verstand, Ayn, ist für Sie mehr als ein bloßes Hilfsmittel; Sie sind der auf defensivste Weise rationale Mensch, den ich je kennengelernt habe.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Sie haben eine Heidenangst vor jeder Ungewißheit. Vielleicht liegt das an dem, was die Bolschewiken Ihrer Familie angetan haben, vielleicht auch einfach nur daran, daß Sie in ein Jahrhundert hineingeboren wurden, dem es verdammt schwer fiel, sich überhaupt irgendeiner Sache gewiß zu sein. Ich würde darauf tippen, daß das Bedürfnis nach Gewißheit eine ebenso große Rolle bei der Entwicklung Ihrer Philosophie gespielt hat wie irgendein Streben nach Wahrheit. Ich meine, es gibt einem ein weit sichereres Gefühl, nicht wahr, die Welt ausschließlich in den Kategorien von Schwarz und Weiß zu sehen, als sein Leben damit zubringen zu müssen, sich mit Grautönen herumzuschlagen.«
»Es gibt einem nicht nur ein sichereres Gefühl«, sagte Rand, »es ist sicherer, und zwar aus dem ganz einfachen Grund, daß die Welt schwarz und weiß ist und die sogenannten Grautöne nichts anderes sind als Gedankennebel, den Irrationalisten in ihrem Bestreben erzeugen, sich der Verantwortung für eine Entscheidung zu entziehen.«
»Aber ich sehe die Welt in Grautönen - die meiste Zeit jedenfalls, wenn ich nicht gerade Volksreden halte -, und trotzdem schaffe ich es, Entscheidungen zu treffen«, sagte Joan. »Und trotz gelegentlicher Anfälle von Verlegenheit, wenn ich einen Bock schieße und beispielsweise den East River in Brand stecke, bin ich durchaus bereit, die Verantwortung für die Folgen dieser Entscheidungen zu übernehmen.«
»Ja, und was sind diese Folgen? Sie sind geschieden und arbeitslos, man hat Sie sogar für unfähig erklärt, in der Kanalisation Patrouillendienst zu schieben, und den größten Teil Ihrer Zeit verbringen Sie mit nichtseßhaften Amputierten, deren Realitätsbezug sogar noch dürftiger ist als der Ihre.«
»Ganz schön freches Mundwerk, Ayn.«
»Ich stelle lediglich die Fakten fest«, sagte Ayn. »Sosehr Sie sich auch bemühen mögen, dem Urgesetz des Daseins können Sie nicht entrinnen - dem Identitätsprinzip, das besagt, daß A gleich A ist, daß die Dinge das sind, was sie sind, unabhängig von allen Ansichten, Launen, Wünschen, Gefühlen oder Meinungen des Menschen. Die Negation der Wirklichkeit verändert die Wirklichkeit nicht; was ist, ist— A ist gleich A -, ungeachtet Ihrer Versuche, sich dem zu entziehen.«
»Das mag wahr sein, Ayn, aber was ich meine -«
»Es ist keine Frage von >magsein<. Es ist wahr. A ist gleich A, und nachdem dies axiomatisch feststeht, kann es keine Grautöne geben. Sie können die Wirklichkeit entweder akzeptieren oder sie leugnen. Wenn Sie sich dafür entscheiden, sie zu akzep-tieren, dann steht Ihnen kein anderes Erkenntnismittel und kein anderes Kriterium richtigen Handelns zur Verfügung als die Vernunft: die Schwarz-Weiß-Gesetze der Logik, bezogen auf das durch die Sinne objektiv Gegebene. Und wenn Sie Atlas wirft die Welt ab gelesen haben, dann wissen Sie, daß das Akzeptieren der Vernunft und das Akzeptieren des menschlichen Lebens als des höchsten Maßstabs jeglicher Moral auch unausweichlich zur Bejahung des Kapitalismus führt.«
»Na ja«, sagte Joan, »ich weiß zumindest, daß Sie diesen Schluß für unausweichlich halten.«
»Es ist der einzig logische Schluß, zu dem man gelangen kann!« beharrte Ayn. »Wenn der Mensch ein Recht auf Leben hat, dann hat der Mensch auch das Recht, all den Aktivitäten nachzugehen, die sein Uberleben - das Uberleben eines rationalen Wesens - erfordert. Und da der Mensch kraft seiner Natur die Dinge, die er zum Leben benötigt, produzieren muß, impliziert das Recht auf Leben das Recht zu
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