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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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organisiert. Ich war die strenge Mama, diejenige, die den Kindern immer hinterher war, daß sie ihre Zimmer aufräumten, fair spielten und den Hund davon abhielten, in Nachbars Garten zu pinkeln - und gleichzeitig dem Rest der Welt vorschwärmte, wie wundervoll sie doch seien, einfach die besten Kinder, die sich eine Mutter nur wünschen könne. Und Clayton Bryce, er war der moralzersetzende Vater, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit meine Autorität untergrub: den Kids fünfzig Dollar zusteckte, so daß sie ins Kino gehen konnten, statt im Garten Unkraut zu jäten, sie dazu ermutigte, beim Baseball dem Fänger ruhig mit den Spikes ins Schienbein zu schlittern, ihnen sagte, sie bräuchteil nicht wirklich alle Flaschen aus dem Müll zu sortieren und in den Glascontainer zu werfen ... Natürlich würde Clayton, wenn Sie ihn fragen würden, wahrscheinlich sagen, daß ich den verderblichen Einfluß ausübte, daß ich zu idealistisch war, um die Realitäten zu akzeptieren ...«
    »Und in diesem bemühten Vergleich«, sagte Ayn Rand, »wäre Gant der dritte Elternteil?«
    »Das nominelle Familienoberhaupt«, bestätigte Joan. »Aber Harry war der niemals anwesende Papa: Die meiste Zeit war er entweder im Flobbyraum und bastelte an seinem neusten Spielzeug herum, oder im Waisenheim, wo er weitere Kinder auflas, um die Clayton und ich uns dann kümmern konnten.
    Wovon für mich natürlich nichts überraschend kam: Ich hatte schließlich gewußt, in was für eine Familie ich da einheiratete, also konnte ich hinterher nicht sagen, man hätte mich nicht gewarnt ... und es war auch nicht so schlimm, jedenfalls zu Anfang nicht. Trotz all meiner Klagen und all meiner Bedenken habe ich während meiner ersten drei Jahre bei Gant wahrscheinlich mehr Gutes getan als in meinem ganzen Leben vorher und danach. Allein die afrikanischen Umweltschutzvereinbarungen wogen jeden Gramm Äxger und Selbstzweifel auf, den ich auszustehen hatte.«
    Ayn gab sich erstaunt. »Gutes getan? In einem kapitalistischen Unternehmen?«
    »Das ist billig, Ayn«, sagte Joan. »Nur weil ich das System nicht, wie Sie, für über alle Kritik erhaben halte -«
    »Aber bitte, nur zu, kritisieren wir den Kapitalismus! Aber wenn es um Dirigismus und Sozialismus und die totale Unterdrückung der Menschenrechte geht -«
    »Möchten Sie den Rest der Geschichte hören, ja oder nein?«
    »Sicher doch!« sagte Ayn und verschränkte bockig die Arme.
    »Schön ... In den ersten paar Jahren lief es mit dem Job also wirklich ganz gut«, fuhr Joan fort, »aber das Unternehmen wuchs und wurde zunehmend komplexer, ständig kamen neue Tochterfirmen und neue Produktbereiche hinzu - immer mehr Kinder -, und dann merkte ich nach einer Weile, daß ich nicht mehr so viel Gutes zustande bekam. Die Veränderung trat nicht von heute auf morgen ein, aber Schritt für Schritt geriet ich zusehends in die reine Schadensbegrenzung und tat bald nichts anderes, als betriebsinterne Probleme zu bekämpfen, die gar nicht erst hätten entstehen dürfen.«
    »Was für Probleme?«
    »Ach, beispielsweise daß sich Clayton beim Bau des Transra-pids, um Geld zu sparen, um die hundertprozentige Erfüllung der gesetzlichen Sicherheits- und Umweltschutznormen drük-ken wollte. Oder als einer seiner Protégés aus der Abteilung für Tarifpartnerliche Beziehungen einen Gewerkschaftsbonzen zu bestechen versuchte, damit der uns erlaubte, rein nonhumane Schienenlegertrupps einzusetzen. Nachdem wir wegen der Schmiergeldaffäre vor Gericht geschleift worden waren, trat der Krieg zwischen Öffentlicher Meinung und Kreativer Buchhaltung in die richtig heiße Phase ein.«
    »Und was war Plessy Falls?«
    »Erinnern Sie sich an Love Canal?«
    »Ich habe den Namen schon mal gehört«, sagte Ayn. »Flatte es nicht etwas mit polizeistaatlichen Maßnahmen gegen einen Chemiekonzern zu tun?«
    »Ja, so was in der Art.« Joan lächelte schief. »Plessy Falls war der Love Canal der späten neunziger Jahre. Es war ein Zehn-Hektar-Sumpfgebiet im Norden des Staates New York - oder zumindest war es das ursprünglich gewesen.«
    »Plessy Falls war ein Sumpf? Kein Wasserfall?«
    »Ein Sumpf mit einem Flüßchen, das hindurchfloß; und an einer Stelle machte das Flußbett einen Hopser von einem knappen Meter, daher der Name. Der Sumpf befand sich auf dem Gelände einer Chemie- und Kunststoffabrik, und in den fünfziger Jahren fing man an, Teile davon trockenzulegen und sie zur Endlagerung von Abfallprodukten zu verwenden.

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