Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
Vom Netzwerk:
sie wollen sie zur Beobachtung dabehalten. Außerdem hat der Direktor der Abwässerbehörde eine offizielle Stellungnahme veröffentlicht, der zufolge der ganze Zwischenfall eine Massenhalluzination gewesen sei.«
    »Das ist noch jemand, den ich gern auf meiner Gehaltsliste hätte. Machen Sie sich eine Notiz, Vanna: Ich will wissen, in welchem Zimmer Joan liegt und von wann bis wann die Besuchszeiten sind.«
    Vanna sah ihn an. »Sie können sie nicht besuchen. Sie hat dieses Unternehmen verraten. Sie ist geächtet.«
    »Beruhigen Sie sich, Vanna. Ich möchte ihr nur eine Karte mit Genesungswünschen schicken, das ist alles.«
    »Aber sie ist überhaupt nicht verletzt.«
    »Besorgen Sie mir einfach die Zimmernummer, Vanna.«
    »Ja, Sir.«
    Es klopfte an der Tür des Konferenzraums. Der Direktor des Phoenix-Besucherservice steckte den Kopf herein. »Tut mir sehr leid, Sie zu stören, Mr. Gant«, sagte er, »aber wir hätten da ein kleines Problem ...«
    Gant seufzte. »Was ist es diesmal?«
    »Ich habe gerade einen Anruf von der Aufsicht unten in der Lobby bekommen. Sie haben nicht zufällig zweitausend Pizzas bestellt?«

3
    Es ist eine kaum bekannte Tatsache, daß das New Yorker Wasser mehr als zweihundert Jahre lang so faulig schmeckte, daß die Pferde sich weigerten, es zu trinken; daß es so unrein war, daß die Bevölkerungjedes zweite Jahr durch Krankheiten um ein Zehntel dezimiert wurde; daß es so teuer war, daß die Armen sich keines leisten konnten und die Straßen mit Unrat bedeckt waren; daß die Brunnen so weit auseinander lagen, daß die periodisch auftretenden Brände vier- bis fünfhundert Häuser auf einen Schlag vernichteten.
    Robert Daley,
    The World Beneath the City
1914: Der Marsch nach Fiatbush
    D ie holländischen Siedler von Neuamsterdam hätten mit einiger Skepsis reagiert, wenn man ihnen erzählt hätte, daß ihr Wildweststädtchen am Hudson - nach einem Namenswechsel, zwei Änderungen der Staatsangehörigkeit und unzähligen vergeblichen Anstrengungen in Sachen kreative Rohrverlegung - dereinst den Ruf erlangen würde, von allen Großstädten auf der Welt mit das wohlschmeckendste Trinkwasser zu besitzen. Die Briten und die frischgebackenen Amerikaner, die nach ihnen kamen, hätten es wahrscheinlich ebensowenig geglaubt, auch wenn sie immer wieder Betrügern auf den Leim gingen, die ihnen Abhilfe gegen verseuchte Brunnen versprachen. Sogar Aaron Burr, der spätere dritte Vizepräsident der Vereinigten Staaten, beteiligte sich an dem Schwindelgeschäft: Sein privater Wasserversorgungsbetrieb, die Manhattan Company, war ein finanzieller Erfolg (die Profite reichten immerhin aus, um Burrs Wahlkampf zu subventionieren und um die Chase Manhattan
    Bank zu gründen), aber ein praktischer Reinfall (die Versorgung war alles andere als zufriedenstellend und trug nicht im mindesten dazu bei, die katastrophalen hygienischen Verhältnisse, die regelmäßige Ausbrüche von Gelbfieber und Cholera verursachten, zu verbessern).
    Schließlich fing New York an, sein Wasser zu importieren -zunächst aus Westchester, über einen Aquädukt, und später, als die einwanderungsbedingt explodierenden Bevölkerungszahlen diese Quelle erschöpft hatten, aus Stauseen in den fernen Catskill Mountains. Ingenieure und Arbeiter des Städtischen Tiefbauamtes (von denen viele erst kürzlich aus Italien angekommen waren) gruben einen unterirdischen Kanal von den Catskills bis zum Hill View Reservoir in Yonkers und bohrten dann weiter in südlicher Richtung durch das Grundgestein unter dem Harlem River, um das Wasser in die eigentliche Stadt zu führen. Der letzte Abschnitt des Tunnels wurde am 11. Januar 1914 gesprengt, und eine unbeabsichtigte Folge seiner Fertigstellung war die Tatsache, daß er eines der sonderbarsten Marathons in der Geschichte der Stadt ermöglichte: einen unterirdischen Marsch von 192 Kilometern Länge, von den Catskill Mountains bis nach Fiatbush, Brooklyn.
    Peter Lugo Peller, ein Reporter der New York Tribüne, dessen Ururenkel als Katastrophenchronist einer verlorenen Generation zu Ruhm gelangen sollte, stürzte sich mit wahrem Feuereifer auf die Idee dieses »Langen Marsches nach Fiatbush« und schaffte es, fünf weitere Journalisten und zwei Fotografen dazu zu überreden, ihn auf seiner Wanderung zu begleiten. Sie trafen sich am 18. Januar in den Catskills, am Ashokadamm. Eine johlende Gruppe von Tunnelbauern war auch zugegen und schloß Wetten darüber ab, wie schnell die Wanderer aufgeben würden;

Weitere Kostenlose Bücher