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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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rechts sein sollte, hörte ich ein Keuchen und Ächzen hinter mir, und da sah ich, daß eine Delegation meiner ehrwürdigen Schwestern in Lila mir gefolgt war. Sie hatten die Steigung auf einem Zwölfsit-zer-Tandem bewältigt, aber ich sah ihren knallroten Gesichtern an, daß sie für einen Schulbus einen Mord begangen hätten.« Sie tätschelte Schwester Judiths Hand. »Sie blieben in einiger Entfernung stehen, so als wagten sie nicht, näher zu kommen, und winkten mich zu sich heran: >Hier lang, der Kampf ist noch nicht zu Ende, was hast du's denn so eilig, dich zu verdrücken?<«
    »Also bist du zurück.«
    »Allerdings. Obwohl ich zugeben muß, daß ich für einen Augenblick, so vor die Wahl gestellt zwischen Petrus' Hintern und einem Dutzend Schwestern auf einem rostigen Tandem, doch geschwankt habe.« Sie grinste auf sehr unnonnenhafte Weise und wandte sich an Joan: »Und du, mein Heidenkind, du glaubst, daß ich das Ganze nur geträumt habe, nicht wahr?«
    »Ich liebe dich, Mom«, erwiderte Joan, »ich achte dich, und du kannst immer auf mich zählen. Aber du hast ne gewaltige Schraube locker.«
    Daher also Joans mangelnde Bereitschaft, an Nahtod-Erfahrungen zu glauben. Daher auch eine ganze Menge anderer Eigenarten Joans.
    Jedenfalls, als die Sanitäter sie an dem Montagvormittag des Jahres 2023 mit einer Winsch aus der Kanalisation hochzogen, wußte Joan, daß sie nicht tot war - nicht einmal annähernd. Anfangs noch wach, fragte sie während der Fahrt zum East River General, wie ihre Chancen stünden. Die junge Frau, die hinten im Krankenwagen neben ihr saß, lachte und sagte, sie brauche sich keine Sorgen zu machen: Sie habe keine Körperteile eingebüßt und auch keine inneren Verletzungen davongetragen, sie müsse nur da, wo Meisterbrau an ihr geschnuppert habe, ein bißchen zusammengeflickt werden. Joan schloß die Augen und schlief den Rest der Fahrt ins Krankenhaus.
    Und träumte, sie fahre auf einem Fahrrad an der Außenseite des Himmels hoch.
    Die Steigung war wirklich so übel, wie ihre Mutter erzählt hatte; es kam allerdings erschwerend hinzu, daß Joan noch immer atmete. Als sie endlich die Sternenebene erreicht hatte, auf der sich die ewige Stadt befand, war sie so aus der Puste, daß sie kein einziges Wort herausbekam. Schnaufend, keuchend und paradoxerweise' nach einer Zigarette lechzend, ließ Joan das Rad auf die Himmelstür zurollen.
    Der heilige Petrus war nicht im Dienst. Dafür aber Joans Mutter, die gegen einen Aktenschrank gelehnt stand und einen riesigen Schlüsselbund an einem Finger herumwirbelte.
    »Na, wenn das nicht mein Heidenkind ist«, sagte sie. »Hatte dich heute gar nicht erwartet. Ein paar deiner Arbeitskollegen sind gerade durch, aber du standest gar nicht auf der Liste.«
    »Mom...« fing Joan an, wurde aber durch einen Anfall von bellendem Husten unterbrochen.
    »Du rauchst noch? Ich auch, aber die gute Nachricht ist, hier oben gibt's keinen Krebs. Auch keine Tabaksteuer. Und wenn du in ein Restaurant gehst, kannst du qualmen, wo immer es dir paßt.«
    Über den Lenker gebeugt, konnte Joan durch das offene Tor eine goldgepflasterte Straße sehen - die allerdings gar nicht so glänzte, wie sie erwartet hätte. Die Architektur war Schweizer Einheitslook, endlose Reihen weißer Chalets aus Kiefernplanken. Joan konnte nicht umhin, sich zu fragen, wie die das wohl schafften, all die Toten ohne Wolkenkratzer unterzubringen. Das höchste Bauwerk, das sie weit und breit sehen konnte, eine stadionartige Konstruktion auf dem Gipfel eines Hügels, war mit einem Transparent behängt, das Radrennen jeden Montag und Donnerstag versprach.
    »Hör zu, Joan«, sagte ihre Mutter. »Wo du schon mal da bist... Neulich habe ich ein bißchen in der Hauptverwaltung herumgeschnüffelt, und ich hab ein paar Dinge gesehen, die du wohl besser wissen solltest. Diese Woche gibt's in New York Arger. ..«
    Drei Häuserblocks vor dem himmlischen Velodrom schlurfte - gejagt von Eddie Wilder, Lenny Prohaska, Art Hartower und einem schmutzverkrusteten alten Mann, bei dem es sich nur um Teddy May handeln konnte - ein Alligator aus einer Querstraße hervor. Er krabbelte bis zur Mitte der Kreuzung, stemmte mit der Nase einen edelsteinbesetzten Gullydeckel auf und versuchte, in die Kanalisation zu entwischen. Aber Eddie Wilder stürzte sich auf das Vieh und packte es am Schwanz.
    »... zum einen ein Erdbeben. Die Stärke auf der Richterskala hab ich nicht mitbekommen. Und irgendwas mit den Elektro-Negern.

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