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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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verscheuchen; nachdem ihm das nicht gelang, versuchte er, es mit einer Armbrust abzuschießen. Sechseinhalbtausend Kilometer und sechs Zeitzonen weiter westlich saßen Joan und Lexa bis nach Mitternacht im »Betsy Ross Saloon« und verfolgten das Drama auf dem Fernsehschirm mit, der über der Bar hing. Als die Nonnen auf den Petersplatz einmarschierten, sah man in der vordersten Reihe Schwester Ellen Fine, eine qualmende Zigarette im Mundwinkel, an der sie aus lauter Nervosität überhaupt nicht zog.
    »Die werden allesamt massakriert«, sagte Joan, die ihrerseits eine Marlboro an der vorigen ansteckte. Sie hatte eine Heidenangst und war wütend darüber, daß ihre Mutter ihr Leben für etwas aufs Spiel setzte, was ihr selbst, Joan, völlig belanglos erschien, und dennoch erfüllte sie gleichzeitig ein Gefühl der Bewunderung und der unbändige Wunsch mitzuerleben, daß doch Gerechtigkeit geschah: dieselbe Sehnsucht, die sie durch zahlreiche eigene Kreuzzüge hindurchtragen würde, noch zusätzlich durch die Hoffnung bestärkt, daß im Augenblick der Wahrheit jene, die ihre Macht mißbraucht hatten, in sich gehen und nachgeben würden. Gleich kommt der Papst raus, dachte sie, mit offenen Armen, und sagt: »Es ist genug. Wir akzeptieren euch. Es ist keine Gewalt nötig.« Joan ließ die Perlen ihres Rosenkranzes nicht zur Ruhe kommen; Lexa nahm ihre Hand.
    Die Nonnen hatten fast die Vortreppe der Peterskirche erreicht, als das Bombardement begann. An der Jerusalemer Klagemauer hatten orthodoxe Rabbis mit Metallklappstühlen nach jüdischen Feministinnen geworfen, wohingegen sich die römische Plebs an traditionellere Geschosse hielt: Katzenköpfe und Mauersteine. Joans Mutter wurde von einer Nero-Büste getroffen, die sie an der Schläfe erwischte, ihr den Schädel brach und sie auf einem Ohr ein für allemal ertauben ließ.
    »Hat gar nicht weh getan«, beharrte sie, als Joan mehrere Wochen später an ihrem Bett saß. »Nur so ein Klingeln, als hätte jemand ein Glöckchen in meinem Kopf angeschlagen, und das nächste war, daß ich auf einem Fahrrad saß ...«
    »Einem Fahrrad«, sagte Joan.
    »Ich war auf der Außenseite des Himmels«, sagte Schwester Ellen, »und strampelte den steilsten Hang hoch, den du dir vorstellen kannst. Ich hätte überhaupt keine Puste mehr gehabt, nur daß ich gar nicht mehr atmete, also habe ich durchgehalten, und nach einer Ewigkeit wurde der Himmel allmählich flach. Und da war sie, mitten auf einer Ebene voller Sterne, ganz genau so wie in den Geschichten, die Himmelstür: außen mit Perlmutt belegt, innen die Straßen mit Gold gepflastert -«
    »Und Petrus bewachte die Tür?«
    »Aber ja. Nur, daß er nicht so war, wie frau erwarten würde. Kein weißer Rauschebart, ganz und gar nicht. Er war jung, sportlicher Outdoor-Typ, muskulös und ziemlich dunkel...« Sie verstummte und sah leicht verschämt aus.
    »Arme Ellie«, sagte Schwester Judith Calyx, eine feministische Mitstreiterin (sie war ohne einen Kratzer aus der Vatikan-
    Schlacht herausgekommen, hatte einen Schweizer flachgelegt und Joans Mutter in Sicherheit getragen; den Papst hatten sie nicht zu Gesicht bekommen). »Sieht den heiligen Petrus, und der Anblick gibt ihr unreine Gedanken ein.«
    »Er war schön«, gestand Schwester Ellie. »Nicht der Typ, auf den ich normalerweise stehe, um es salopp auszudrücken, aber eine ganz unbestreitbar entzückende, ja köstliche Erscheinung.«
    »Vielleicht«, schlug Lexa Thatcher vor, »war es nur die Kraft seiner Heiligkeit, die du gespürt hast.«
    »Da hab ich meine Zweifel. Mich hat am meisten beeindruckt, daß er den wahnsinnigsten Hintern hatte, den ich je gesehen habe. Ich hab noch nie gehört, daß der Heilige Geistje die Sorte Fleisch geworden wäre.
    Jedenfalls habe ich hallo zu ihm gesagt, und er hat zurückgegrüßt und mich gebeten, einen Augenblick zu warten, er müßte nur eben abchecken, wo ich untergebracht werden sollte. Hat dazu keinen Computer benutzt, auch kein Telefon; er hatte hinten, neben der Tür, einen gigantischen Aktenschrank mit Kombinationsschlössern an jeder Schublade und römischen Zahlen auf den Einstellringen, was mir auffiel, und ich sagte mir, wenn das alles nur eine Halluzination wäre, würde ich doch wohl kaum auf ein so komisches Detail achten.« Letzteres mit einem bedeutungsvollen Blick zu Joan, die ihr offensichtlich kein einziges Wort abkaufte. »Dann, während Petrus versuchte, sich daran zu erinnern, ob es XVII nach links oder XVII nach

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