Gaunts Geister 5 - Die Feuer Von Tanith
schaute nach unten. Es war kein Land zu sehen. Nur Millionen
Quadratkilometer fleckiger Wolken.
Es gab
schnell dahinziehende Bänder aus perlmuttartigen Skulpturen, gesprenkelte
Wölkchen aus gelbem Vlies, schillernde Streifen beinahe silberner Gase.
Rauchige Dunkelheit sickerte durch Wolkenteile, unschöne Wirbel aus Abgasen und
Schadstoffen. Tief unter ihm leuchteten gelegentlich die Flammenstrahlen sich
entzündender Gasblasen in der dichten, widerwärtigen Wolkendecke auf.
Phantine
war seit fünfzehn Jahrhunderten eine Industriewelt und mittlerweile für die
Menschheit größtenteils unbewohnbar.
Unkontrollierte
Rohstoffgewinnung und gewaltige petrochemische Überproduktion hatten die
Oberfläche ruiniert und eine fünf Kilometer dicke, tödliche Decke der
Luftverschmutzung geschaffen.
Nur
die höchsten Stellen blieben noch. Berggipfel und die Spitzen lange toter
Makropolen. Diese Gipfel und Spitzen ragten aus den zersetzenden Gasmeeren und
bildeten abgelegene Inseln, auf denen die Menschheit weiterhin die Welt
bewohnen mochte, die ihre Gier umgebracht hatte. Orte wie Cirenholm und
Ouranberg.
Und
diese hoch gelegenen Habitate existierten einzig und allein, damit die
Menschheit die chemischen Bodenschätze Phantines auch weiterhin plündern
konnte.
Gaunt
glitt unter das Geländer und setzte sich auf den Rand des Laufstegs, so dass
seine Füße in der Luft hingen. Wenn er sich vorbeugte, konnte er den riesigen
Bauch des Luftschiffs sehen. Die plissierten Gasballons. Die gepanzerten
Leinwandpaneele. Sie leuchteten ockerfarben im kränklichen Licht der Halbsonne.
Er konnte eine der großen Antriebsgondeln sehen, deren kreisende
Propellerblätter größer waren als ein Titan.
»Man
hat mir gesagt, dass ich Sie hier oben finden würde, Ibram.«
Gaunt
sah auf. Oberst Colm Corbec hockte sich neben ihn.
»Was
liegt an, Colm?«, fragte Gaunt, während er seinem Stellvertreter zunickte.
Der
massige Mann mit dem dichten Bart lehnte sich an das Geländer. Seine nackten
Unterarme waren wie Schinken und unter der Behaarung mit blauen Spiralen und
Sternen tätowiert.
»Was
hatte Marschall Van Voytz denn nun zu sagen?«, fragte Corbec. »Und wie ist er
so?«, fügte er hinzu, indem er sich neben Gaunt setzte und ebenfalls die Beine
über das Gitter baumeln ließ.
»Das
habe ich mich gerade gefragt. Manchmal lässt sich nur schwer sagen, wie ein
Kommandant ist. Dravere und Sturm zählen nicht. Beide waren Schweine. Aber
Bulledin und Slaydo ... beides feine Kerle. Bulledins Ablösung durch Lugo auf
Hagia hat mir von Anfang an nicht gefallen.«
»Lugo«,
fauchte Corbec. »Verschonen Sie mich mit dem.«
Gaunt
lächelte. »Er hat bezahlt. Macaroth hat ihn degradiert.«
»Der
Imperator beschützt«, grinste Corbec. Er zog eine Hüftflasche aus der
Hosentasche, trank einen Schluck und bot Gaunt die Flasche an.
Der
Kommissar-Oberst schüttelte den Kopf. Seit seinem Absturz auf Hagia vor
mehreren Monaten mied er Alkohol mit einer fast puritanischen Überzeugung. Dort
hätten er und seine Geister beinahe für Marschall Lugos Fehler büßen müssen. In
die Ecke gedrängt und frustriert, dazu von einem überstark ausgeprägten
Verantwortungsgefühl gequält, das seine Mentoren Slaydo und Oktar in ihm
geweckt hatten, war Gaunt einem persönlichen Versagen so nah gekommen wie noch
nie in seiner Laufbahn. Er hatte schmählicherweise stark getrunken, und seine
Männer hatten darunter leiden müssen. Nur die Gnade des Imperators und
vielleicht der Heiligen Sabbat hatte ihn gerettet. Er hatte sich gegen die
Truppen des Chaos und seine privaten Dämonen gewehrt und den Erzfeind wenige
Stunden, bevor Hagia hätte überrannt werden können, in die Flucht geschlagen.
Hagia
war verschont worden und Lugo entehrt. Die Geister hatten überlebt, sowohl als
aktive Einheit als auch als individuelle lebendige Wesen. Gaunt wollte keinen
einzigen Schritt dieses schweren Wegs wiederholen.
Corbec
seufzte, nahm die Flasche zurück und nippte noch einmal.
Er
vermisste den alten Gaunt, den Kommandeur, der mit seinen Männern in der Nacht
so schwer trank, wie er am nächsten Tag für sie kämpfen würde. Corbec verstand
Gaunts Zurückhaltung und verspürte nicht den Wunsch, seinen geliebten
Kommandeur noch einmal als tobenden, betrunkenen Unzufriedenen zu erleben. Aber
er vermisste den kameradschaftlichen Gaunt. Es gab jetzt eine Distanz zwischen
ihnen.
»Also
... dieser Van Voytz.«
»Van
Voytz ist ein guter Mann, glaube ich. Ich habe nur Gutes
Weitere Kostenlose Bücher