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Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauß: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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«die Büsten Ihrer Majestäten des Königs Georg V. und des Hochseligen Königs Ernst August aufgestellt sind» [Han].
    In nördlicher Richtung, jenseits des letzten Eisenbahnschuppens, geht die gutbefestigte Straße in einen schmalen Feld- und Reitweg über, an dessen Flanke das Bahngleis verlegt worden ist. Aus dieser Richtung muss der Zug aus dem 65 Kilometer entfernten Alfeld bald eintreffen. Kurz bevor das Zischen und Pfeifen der Lokomotiven überhaupt ein menschliches Ohr erreichen kann, breitet sich unter den Pferden vor dem Bahnhof eine spürbare Nervosität aus. Wiehernd und hufscharrend reagieren sie auf das mechanische Schnaufen in der Ferne, dessen Frequenz ihnen offensichtlich nicht behagt. Als ahnten sie, dass mit dem Dampfross ein ernsthafter Konkurrent aufgetaucht ist, der ihre Existenz in Frage stellt.
    Die Rechnung der Ökonomen ist simpel: Mit ein paar Schaufeln Kohle und ein paar Eimern Wasser lässt sich genügend verschwindend leichter, nicht greifbarer Wasserdampf erzeugen, der auf wundersame Weise eine kolossale Maschine in Gang setzt, mit der sich mehr Menschen und Güter bequemer, zuverlässiger und vor allem billiger transportieren lassen als mit Pferdekraft. Denn die muss mit teurem Futter und entsprechend aufwendiger Pflege der Tiere erkauft werden. Ein leistungsstarkes Postkutschenpferd vertilgt angeblich schon bei Sonnenaufgang so viel Hafer [Shi: 12], wie ihn acht dürftig bezahlte englische Bergarbeiter für ihren Frühstücksbrei brauchen, um anschließend billige Kohle fördern zu können. Vorbei sind die Zeiten, da nach starken Regengüssen die Pferdehufe im aufgequollenen Lehm einer Landstraße versanken, der Karren im wahrsten Sinne des Wortes in den Dreck gezogen wurde oder durch die Unachtsamkeit des Kutschers im Straßengraben landete und die von den Deichselschlägen geschundenen Tiere eine Ruhepause brauchten. Jetzt rollen die blanken Räder der Lokomotive, gleichmäßig beschleunigt von der Kraft des Wasserdampfes, unermüdlich auf einer schmalen, ungewohnt glatten, eisernen Fahrbahn voran. Vom Startpunkt bis zum Zielort kann die Maschine bei minimalem Reibungsverlust nicht einen Millimeter vom Weg abweichen, da ihre Route mit genormter Spurweite fest in die Landschaft hineinmontiert worden ist. Hier verschmelzen Transportstrecke und Transportmittel. Dampflokomotive und Schiene werden von nun an nicht mehr voneinander weichen. Mit dem wachsenden Netzwerk von Bahnlinien entsteht gerade eine einzige «über das ganze Land verteilte große Maschine» [Shi: 32].
    Jetzt, da die Dampfwolken endlich sichtbar werden und das Schnauben der Lokomotive unüberhörbar ist, kommt auch Schwung in die Menschenmenge auf dem Bahnhofsvorplatz. Jeder sucht sich einen guten Aussichtspunkt, um den historischen Augenblick ja nicht zu verpassen. Mit der Einfahrt des Zuges aus Alfeld wird an diesem Montag, den 31. Juli 1854 um halb elf vormittags, die Eröffnung des Bahnhofs Göttingen gefeiert. Endlich ist die Eisenbahn auch in der südlichsten Provinz des Königreichs Hannover angekommen. Ein paar Meter vor dem Bahnsteig passiert der Zug, schrill pfeifend, die efeuumrankte Ehrenpforte. Von zwei bekränzten Lokomotiven gezogen, rollen 26 fabrikneue Eisenbahnwagen mit 800 Ehrengästen in den Bahnhof ein. Geschmückt sind die aneinandergekoppelten Wagen mit den Garanten für urdeutsche Festtagsstimmung – Laubgirlanden, Tannengrün, bunten Bändern und Hunderten von Fähnchen.
    Viele der Honoratioren aus den Orten entlang der Strecke werden das neuartige Fahrvergnügen bereits erlebt haben. Immerhin gibt es schon seit fast zwei Jahrzehnten überall in Deutschland Eisenbahnverbindungen. Doch der eine oder andere sesshafte Bürgermeister, Kommerzienrat oder Freiherr aus dem «lieblichen Leinetal» wird sich an diesem «heiteren aber nicht zu heißen Sommertag», wie die Hannoversche Zeitung vom 3. August 1854 berichtet, zum ersten Mal erstaunt und erschrocken auf diese qualmende Höllenmaschine eingelassen haben. Wenn die nämlich nach einem angemessenen Anlauf ihre halsbrecherische Spitzengeschwindigkeit von knapp 50 Stundenkilometern erreicht, gerät die draußen vorbeiziehende Landschaft ins Taumeln. Keine Chance für das unangepasste Auge, beim Blick aus dem Abteilfenster etwa einen Menschen am Bahndamm zu erkennen. Seine Konturen lösen sich auf, und er verwandelt sich in einen fliehenden Schatten. Bei der Fahrt entlang der Vorgärten blitzen Rittersporn, Königskerzen und Sonnenblumen wie

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