Gebannt - Unter Fremdem Himmel
abgestumpft war, blieb ihm keine andere Wahl. Er holte Luft. Ihre Haut roch zwar nicht so stechend wie die der anderen Siedler, verströmte aber dennoch einen muffigen Geruch. Warmes Blut, aber auch ein fauliger Verwesungsgeruch. Neugierig atmete er erneut ein, doch sie befand sich in einer so tiefen Bewusstlosigkeit, dass sie nichts von ihrer Stimmung preisgab.
Einen Moment lang überlegte er sie mitzunehmen, doch Siedler konnten draußen nicht überleben. Dieser Raum bot ihr die größte Chance, das Feuer unversehrt zu überstehen. Eigentlich hatte er vorgehabt, auch nach dem anderen Mädchen zu schauen. Aber dazu war jetzt keine Zeit mehr.
Er richtete sich auf. »Sieh zu, dass du durchkommst, kleiner Maulwurf«, sagte er. »Nach allem, was hier passiert ist.«
Dann zog er die Tür hinter sich fest ins Schloss und betrat eine weitere Schleuse, die von Ätherstürmen zerbeult worden war. Geduckt huschte Perry durch den zerstörten, dunklen Raum. Die Schneise wurde so schmal, dass er gezwungen war, sich kriechend über zerborstenen Beton und verzogenes Metall vorwärtszubewegen, wobei er seinen Bogen und seinen Beutel vor sich herschob, bis er schließlich wieder seine eigene Welt erreichte.
Erleichtert richtete er sich auf, atmete in der nächtlichen Stille tief durch und pumpte die saubere Luft in seine versengten Lungen. Doch plötzlich zerrissen Alarmsirenen die Stille – zunächst gedämpft durch die Trümmer, dann überall um ihn herum, so laut, dass er das Geräusch in seiner Brust spüren konnte. Perry schlang sich Beutel und Köcher über die Schulter, hob den Bogen auf und sprintete durch den kühlen Anbruch der Morgendämmerung.
Eine Stunde später, als die Festung der Siedler nur noch ein Erdhügel in der Ferne war, setzte er sich, um seinem hämmernden Kopf eine Pause zu gönnen. Inzwischen war es hell geworden und schon ziemlich warm im Shield Valley, einem trockenen Stück Land, das sich fast bis zu seiner Heimat zwei Tagesmärsche weiter Richtung Norden erstreckte. Langsam ließ er den Kopf auf den Unterarm sinken.
Der Geruch des Rauchs hing in seinen Haaren und auf seiner Haut. Perry nahm ihn bei jedem Atemzug wahr. Siedlerrauch war anders als der ihre. Er roch nach geschmolzenem Stahl und Chemikalien, die heißer brannten als Feuer. Seine linke Wange pochte, aber das war nichts im Vergleich zu dem Schmerz tief in seiner Nase. Seine Oberschenkelmuskeln zuckten, als liefen sie weiter vor den Alarmsirenen davon.
Die Tatsache, dass er sich in die Festung der Siedler geschlichen hatte, war schon schlimm genug. Allein dafür würde sein Bruder ihn verstoßen. Doch dann hatte er sich auch noch mit den Maulwürfen angelegt und aller Wahrscheinlichkeit nach einen von ihnen getötet. Die Tiden hatten mit den Siedlern nicht solche Probleme wie andere Stämme. Perry fragte sich, ob er dafür gesorgt hatte, dass sich das ändern würde.
Er griff nach seinem Beutel und wühlte darin herum. Seine Finger streiften etwas Kühles und Samtiges. Perry fluchte. Er hatte vergessen, die Augenklappe des Mädchens zurückzulassen. Nun holte er sie hervor, hielt sie in seiner Handfläche und betrachtete sie. Das Ding fing das blaue Licht des Äthers ein wie ein riesiger Wassertropfen.
Er hatte die Maulwürfe schon gehört, kaum dass sie in das Waldgebiet eingedrungen waren. Ihr Gelächter war aus dem landwirtschaftlichen Bereich herübergedrungen. Neugierig hatte er sich angeschlichen und sie beobachtet und dabei verblüfft festgestellt, wie viele Lebensmittel dort vor sich hin faulten. Eigentlich hatte er sich nach ein paar Minuten wieder davonmachen wollen, doch dann hatte das Mädchen seine Neugier geweckt. Und als Soren ihr dieses Ding vom Auge gerissen hatte, hatte er nicht länger nur dastehen und zuschauen können, auch wenn sie bloß ein Maulwurf war.
Perry ließ die Augenklappe wieder in seinen Beutel gleiten. Vielleicht konnte er das Ding ja verkaufen, wenn im Frühling die Händler kamen. Gegenstände der Siedler brachten einen ordentlichen Preis ein, und es gab vieles, was seine Familie benötigte, von seinem Neffen Talon ganz zu schweigen. Perry wühlte noch tiefer in dem Lederbeutel, schob sein Hemd, seine Weste und den Trinkschlauch mit seinem Wasservorrat beiseite, bis er fand, was er suchte.
Die Schale des Apfels glänzte sanfter als die Augenklappe. Perry fuhr mit den Daumen darüber, folgte den Rundungen. Er hatte ihn im landwirtschaftlichen Bereich eingesteckt. Das Einzige, was er sich
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