Gebannt - Unter Fremdem Himmel
fühlte sich schon das Einatmen wie Selbstmord an.
Aria hörte das Piepen eines Tastenfeldes, das aus Sorens Richtung kam. Dann flackerten Leuchtröhren auf, begleitet von lautem Klacken. Ein höhlenartiger Raum wurde sichtbar, in dem sich schnurgerade Pflanzenreihen erstreckten. Hoch über Aria zogen sich Rohre und Träger kreuz und quer an der Decke entlang. Sie konnte weder klaffende Löcher noch andere Anzeichen eines Unfalls erkennen. Mit seinem staubigen Boden und der düsteren Stille wirkte der Raum einfach nur vernachlässigt.
Mit einem Satz war Soren wieder an der Tür und stützte sich am Rahmen ab. »Wenn dieser Abend nicht der tollste in eurem Leben wird, weiß ich es auch nicht.«
Die Nahrungsmittel wuchsen auf hüfthohen Kunststoffhügeln. Endlose Reihen verfaulendes Obst und Gemüse erstreckten sich bis zum Horizont. Wie alles in der Biosphäre wurde die Nahrung aus Gründen der Effizienz genetisch erzeugt. Die Pflanzen besaßen keine Blätter, brauchten keine Erde und nur wenig Wasser zum Wachstum.
Aria pflückte einen überreifen Pfirsich und zuckte zusammen, als sie bemerkte, wie leicht sein weiches Fleisch Druckstellen bekam. In den Welten wurde Nahrung noch »traditionell« angebaut, beziehungsweise man stellte ihr Wachstum virtuell dar: in Gehöften mit roten Scheunen und auf Feldern unter sonnigem Himmel. Aria erinnerte sich an den letzten Werbespruch auf dem Smarteye: Besser als die Realität . In diesem Fall traf es tatsächlich zu. Die realen Lebensmittel in Ag 6 sahen aus wie alte Menschen kurz vor ihrer Anti-Aging-Behandlung.
Die ersten zehn Minuten verbrachten die Jungen damit, sich gegenseitig durch die Gänge zu jagen und über die Pflanzenreihen zu springen. Daraus entwickelte sich ein Spiel, das Soren »Faulball« taufte und das daraus bestand, einander mit landwirtschaftlichen Produkten zu bewerfen. Aria machte eine Weile mit, doch Soren zielte ständig auf sie und warf zu fest.
Schließlich gingen Paisley und sie in Deckung und versteckten sich hinter einem Pflanzenwall. Daraufhin änderte Soren das Spiel erneut und forderte Bane und Echo auf, sich wie bei einer Exekution an eine Wand zu stellen. Dann bewarf er die Brüder, die einfach stehen blieben und lachten, mit Grapefruits.
»Bitte keine Zitrusfrüchte mehr!«, schrie Bane. »Wir gestehen ja!«
Auch Echo riss wie sein Bruder abwehrend die Hände hoch. »Wir ergeben uns, Gevatter Obst! Wir gestehen!«
Alle taten immer, was Soren wollte. Er genoss in allen coolen Welten Priorität. Es gab sogar eine Welt, die nach ihm benannt worden war: SOREN 18. Sorens Vater hatte sie vor einem Monat zu seinem achtzehnten Geburtstag erschaffen. Die Tilted Green Bottles hatten ein Sonderkonzert gegeben, und während des letzten Stücks war das Stadion mit Meerwasser geflutet worden, worauf sich alle in Nixen und Wassergeister verwandelt hatten. Selbst in den Welten, wo im Grunde alles möglich war, hatte diese Party für eine Sensation gesorgt und einen regelrechten Unterwasserkonzerte-Kult ins Leben gerufen. Soren hatte Schwanzflossen sexy gemacht.
Aria traf sich nach der Schule nur selten mit ihm. Soren beherrschte die Sport- und Zweikampfwelten – Orte, an denen die Teilnehmer sich bei Wettkämpfen austoben und sich einen Rang erwerben konnten. Normalerweise hielt sie sich gemeinsam mit Paisley und Caleb in Kunst- und Musikwelten auf.
»Jetzt sieh dir mal dieses schmutzige Ding hier an«, murrte Paisley und rieb an einem Orangenfleck auf ihrer Hose herum. »Das geht gar nicht mehr ab.«
»Man nennt das einen Fleck«, erklärte Aria.
»Und wozu soll ein Fleck gut sein?«
»Zu gar nichts. Deshalb haben wir in den Welten ja auch keine.« Aria musterte ihre beste Freundin: Paisley zog eine derart finstere Miene, dass ihre Augenbraue den Rand ihres Smarteyes berührte. »Alles okay mit dir?«, fragte Aria.
Genervt fuchtelte Paisley mit den Fingern vor ihrem Eye herum. »Ich hasse das. Mir fehlen meine Infos und Daten. Wo sind denn die anderen? Und warum höre ich mich so pseudo an?«
»Tun wir alle. Als hätten wir Megafone verschluckt.«
Fragend hob Paisley eine Augenbraue. »Mega was ?«
»Ein kegelförmiger Gegenstand, den die Leute früher dazu benutzt haben, um ihre Stimmen lauter klingen zu lassen. Die Vorläufer von Mikrofonen.«
»Hört sich für mich megaretro an«, sagte Paisley. Unruhig rutschte sie herum und wandte sich schließlich an Aria: »Kannst du mir vielleicht mal verraten, was hier eigentlich los
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