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Gebieter der Dunkelheit

Gebieter der Dunkelheit

Titel: Gebieter der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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Mal – zumindest auf Maroon – wollte sie sich ihm hingeben und sich danach vorerst verabschieden. Sie konnte sich nicht vorstellen, ihn nie wiederzusehen.
    Ihr schlechtes Gewissen wog so schwer, dass ihre Beine zitterten.
    »Lass uns bis zum Abendessen bleiben.« Diesmal war sie es, die ihre Stimme erhob, weil er sofort abblockte. »Ich kann nicht sang- und klanglos verschwinden, das tue ich meiner Familie nicht an!«
    Mit einer wegwischenden Handbewegung setzte sich Cheng an den Tisch. »Ich verliere durch diese Reise einen ganzen Tag im Büro. Ich muss nur noch meine Mails checken, dann fahren wir nach Hause, Liebes.«
    Wut stieg in Naomi auf. Was bildete er sich eigentlich ein? Dass sie seine Leibeigene war? Es erregte sie, sich sexuell dominieren zu lassen, aber das hieß keineswegs, dass sie sich auch gerne im Alltag unterordnete. Sie hatte sich viel zu lange von Cheng herumkommandieren lassen. Alles, was sie sagte, prallte an ihm ab. Er schaute sie nicht einmal richtig an.
    Die Ecke der Karte in ihrer Tasche stach in ihren Handballen, und der sanfte Schmerz fühlte sich lebendig an. »Wir bleiben bis zum Dinner. Finde dich damit ab! Bearbeite du nur deine Mails, ich werde mich schon mal von ein paar Leuten verabschieden.«
    »Wie redest du denn mit mir?« Erstaunt nahm er seine Brille ab und begann die Gläser zu putzen, als würde er nicht glauben, dass die Frau, die vor ihm stand, seine Freundin war.
    »Wenn du ein Problem damit hast, auf mich zu warten, kannst du schon mal nach Frisco vorfahren.« Naomi schlenderte lässig zur Tür, doch ihr Puls raste, weil sie Cheng das erste Mal Gegenwind bot. »Wir werden eh mit zwei Autos zurückfahren müssen.«
    »Nein, nein, ich warte auf dich, Darling«, lenkte er kleinlaut ein, setzte seine Brille auf und widmete sich längst wieder seinem Laptop, noch bevor Naomi das Zimmer verlassen hatte.
    Genervt rollte sie mit den Augen, aber das nahm er sowieso nicht mehr wahr. Er machte es ihr leicht, ihn zu hintergehen, aber das rechtfertigte ihren Betrug nicht. Leise schloss sie die Zimmertür hinter sich, verließ das Haus und spazierte durch die Weinreben. Es sah aus, als würde sie ziellos umherstreifen, dabei wurde sie vom Gästehaus angezogen wie ein Magnet.
    Ganz sicher würde Cheng morgen, an einem Samstag, zu Pinpoint Precision fahren, um die verlorene Zeit aufzuarbeiten. Wochenenden im Büro waren nichts Ungewöhnliches für ihn. Naomi würde ihn begleiten müssen, um sich auf den aktuellen Stand zu bringen und Montag wieder voll einsatzfähig zu sein.
    Bei diesen Aussichten baute sich eine Abneigung in ihr auf, die sie dazu brachte, die Beine in die Hand zu nehmen und loszulaufen, als würde sie verfolgt. Getrieben von Sehnsucht und Begehren eilte sie zu Samuel, doch als sie leise durch das kniehohe Eisentor, das immer offen stand und mehr Dekoration als zweckdienlich war, den Garten betrat, verließ sie der Mut. Sie hatte ihn vor den Kopf gestoßen. Was würde sie erwarten?
    Schweigend betrachtete sie ihn. Sam saß auf der Terrasse und schrieb etwas in ein Moleskin. Er sah umwerfend aus. So männlich! So sinnlich und gleichzeitig stark! Unweigerlich fragte sich Naomi, ob sie bei ihm bleiben würde, wenn er sie darum bäte.
    Samuel schaute auf, doch er lächelte nicht. Obwohl er sich zurücklehnte, wirkte er angespannt. Nachdenklich musterte er Naomi. Dann legte er den altmodischen Füllfederhalter, den er noch in der Hand hielt, auf den Tisch und kam zu ihr.
    Naomi war noch aufgeregter als bei ihrem ersten Treffen. Verlegen kreuzte sie ihre Arme und hielt ihre Oberarme fest, damit das Beben ihres Körpers nicht allzu offensichtlich war. »Es tut mir leid. Ich hätte ihn erwähnen sollen.«
    »Erwähnen?« Sam blieb zwei Schritte vor ihr stehen, die Distanz enttäuschte Naomi. Pikiert hob er eine Augenbraue. »Meinst du wirklich, ich hätte dich verführt, wenn ich von deinem Freund gewusst hätte? Auch ich habe Anstand und Moral.«
    »Und die Enthüllungsberichte?« Diese Spitze hatte sie sich nicht verkneifen können. Der Auslöser für ihre Affäre war der falsche gewesen und warf einen Schatten auf all die wundervollen Dinge, die sie mit Samuel erlebt hatte.
    Aufgebracht winkte Sam ab. »Vergiss diese dämlichen Berichte!«
    »Wie kann ich das?«
    »Deinen Freund hast du doch auch vergessen … zu erwähnen.«
    Gereizt, da die Rollen plötzlich vertauscht waren – sie war in diesem Augenblick die Böse, und Sam war derjenige, dem sie Unrecht getan hatte

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