Gebieter des Sturms (German Edition)
kompetenter Mann mit respektvollem Benehmen.
Schließlich stand Niniane auf, und natürlich erhoben sich auch alle anderen. Sie sagte gerade einige ermutigende Worte zum Abschied, als sich einer der Soldaten unauffällig hinter Tiago schlich. Es war der schmächtige, ruhige Mann namens Hefeydd, der für die Pflege der Zugpferde der Versorgungswagen zuständig war.
Natürlich bemerkte Tiago es. Er bemerkte alles, was in seiner Umgebung geschah, jede achtlose Geste, jede erhobene Hand, jede plötzliche Bewegung. Er balancierte sein Gewicht auf den Fußballen und wartete.
Eine unsichere Stimme sagte in seinem Kopf: Sir.
Ja? , fragte er. Seine mentale Stimme war ruhig. Die Finger seiner Schwerthand krümmten sich.
Kommandantin Arethusa gab mir etwas, das ich Ihnen geben sollte, wenn, nun, falls ihr etwas geschehen sollte – nein, Sir, drehen Sie sich bitte nicht um! Ich d-dachte, es wäre Ihnen vielleicht recht, wenn ich es Ihnen einfach in die Hand lege?
Klar, so weit kommt’s noch, hätte er beinahe gefaucht, doch dann hielt er sich zurück. Hefeydd war einer von denen gewesen, die mit geröteten Augen am Rande des Lagerfeuers gesessen hatten. Er hatte nicht verbal zu Arethusas improvisierter Totenwache beigetragen, doch Tiago hatte die Trauer im Gesicht des zurückhaltenden Dunklen Fae bemerkt.
Tiago seufzte, legte eine Hand hinter den Rücken und öffnete sie.
Ein flaches, in Leder gewickeltes Päckchen glitt sacht in seine Handfläche. Als sich seine Finger darum schlossen, spürte er, wie sich Hefeydd zurückzog.
Als sich Niniane schließlich zu ihm umwandte, klemmte er sich das Päckchen unter den Arm. Zuvor hatte sie müde gewirkt, doch jetzt sah sie völlig ausgelaugt aus, ihr kleines Gesicht war weiß vor Erschöpfung. Er unterdrückte den Impuls, sie auf den Arm zu nehmen und davonzutragen. Unter den prüfenden Blicken der anderen mussten sie sehr vorsichtig sein. Er durfte nichts tun, was sie in den Augen ihres Volkes schwach oder nicht absolut leistungsfähig erscheinen ließ.
Sie kam zu ihm herüber, und er musste sich damit begnügen, ihr sanft eine stützende Hand ins Kreuz zu legen. Er verkürzte seine Schritte, um sie ihren anzupassen, und sie suchten sich ihren Weg durch das im Dunkeln liegende Lager.
Sie kamen zu Ninianes Zelt, vor dem Cameron noch immer Wache hielt. Mit scharfem Blick musterte Tiago die Menschenfrau. Cameron sah ebenfalls müde aus, aber auch wachsam, sie hielt ihren hochgewachsenen, schlanken Körper aufrecht. Er blickte sie mit hochgezogenen Brauen an, und sie nickte ihm zu. Sie sagte: »Ich habe Kaffee gekocht, wenn Sie welchen möchten?«
Wortlos schüttelte Niniane den Kopf. Während er ihr die Zelttür aufhielt, sagte er zu Cameron: »Ich nehme eine Tasse.«
Er folgte Niniane, die im Wohnbereich des Zelts stehen blieb. Im Becken lagen frische Kohlen und spendeten Wärme, die Lampen brannten. Er ließ das lederne Päckchen neben einem der Holzstühle auf den Boden fallen. Niniane drehte sich zu ihm um. Er zog sie in seine Arme und empfand unbändige Erleichterung, als sich ihr kleiner Körper an seinen schmiegte.
Sie vergrub das Gesicht an seiner Brust, und er strich ihr über die schwarz glänzenden Haare. »Ich bin so stolz auf dich«, sagte er.
»Sei nicht nett zu mir«, sagte sie gedämpft an seiner Brust. »Sonst fange ich noch an zu heulen wie ein Baby.«
Er legte schützend die Hand um ihren Hinterkopf. »Weine ruhig, wenn dir danach ist«, flüsterte er.
Die Zelttür wurde angehoben, und Cameron trat herein. Sie trug eine Metalltasse mit dampfend heißem Kaffee. Als sie die beiden sah, zögerte sie, doch dann kam sie näher, um den Kaffee neben einem der Stühle abzustellen, bevor sie sich umwandte und ging.
Niniane hob den Kopf: »Wissen Sie schon etwas?«
Cameron sagte: »Noch nicht, tut mir leid. Mein letzter Stand ist, dass Rune und Aryal die Untersuchung der Umgebung abgeschlossen haben und jetzt das Lager durchkämmen.«
Niniane nickte und ließ den Kopf wieder an Tiagos Brust sinken. Er streichelte ihr seidiges schwarzes Haar. Dann hörte er Schritte, jemand näherte sich dem Zelt. Er fasste Niniane an den Schultern und schob sie sanft von sich, damit sie vor die Zelttür treten konnte.
Draußen sagte Hauptmann Durin mit ruhiger Stimme: »Verzeihen Sie, Hoheit?«
»Ja, Durin, kommen Sie herein«, sagte Niniane.
Anerkennend bemerkte Tiago, dass sich Cameron in Verteidigungsstellung brachte und seine Position zwischen Niniane und der
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