Gebieter des Sturms (German Edition)
etwas Zeit.«
Aryal verengte die Augen. »Was meinst du damit, etwas Zeit verschaffen?«
Stöhnend sackte Niniane vornüber. Sie legte die Wange auf den Tisch. »Zeit, die Anschläge zu untersuchen, Zeit, herauszufinden, wem ich trauen kann und wem nicht. Wenigstens ein kleines bisschen. Wenigstens in mancher Hinsicht.«
Aryal schnaubte: »Das ist einfach.«
Niniane versetzte der Harpyie einen Klaps aufs Knie. »Ich weiß, dass ich dir vertrauen kann, Doofi«, sagte sie. »Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, auch nur für einen Augenblick zu schwanken, ich meine, eine Harpyie, die zulässt, dass ich sie mit rosa Lippenstift und Zöpfchen aufpeppe … «
Aryal schlug ihr auf den Hinterkopf. »Hörst du endlich AUF damit! Mein Gott!«
Sie bedachte Aryal mit einem fiesen Grinsen und wurde dann wieder ernst. »Ich habe von den Leuten gesprochen, mit denen ich für den Rest meines Lebens zusammenleben werde. Ich muss bei den Dunklen Fae schnell Freunde mit viel Macht und Magie finden, denn ansonsten ist die brutale Wahrheit, dass ich vermutlich nicht besonders alt werde.«
Aryal legte den Kopf ebenfalls auf den Tisch und blickte Niniane an, ihre hageren Züge wurden ernst. »Dir wird nichts passieren«, versprach sie. Ihr finsterer Blick versprach außerdem noch andere Sachen, zum Beispiel, dass über jeden, der etwas anderes behauptete, die Hölle hereinbrechen würde. »Du wirst verdammt lange leben. Dafür sorgen wir.«
Mit trockener Kehle versuchte Niniane zu schlucken. Ihre Finger waren kalt, und sie rieb die Hände aneinander. »Und wo wir gerade davon sprechen, Leute zu finden, denen ich vertrauen kann – ich muss auch noch jemanden zum Heiraten finden.«
Aryals Kopf fuhr hoch. »Was?«
»Ich habe eine Ehemann-Checkliste aufgestellt«, flüsterte sie. »Er muss über magische Energie und Einfluss verfügen und jemand sein, der den Thron will, ihn allein aber nicht bekommen kann, denn er muss ein Eigeninteresse daran haben, dass ich am Leben bleibe.«
Die stürmischen Augen der Harpyie weiteten sich. »Guter Gott, igitt !«
Niniane spürte, wie sich ihre Augen wieder mit Tränen füllten. So sehr sie sich auch bemühte, dieses Mal quollen sie über, und dann gab es für die Panik der Harpyie kein Halten mehr.
Und so war es gekommen, dass Niniane jetzt tanzte und so zu tun versuchte, als würde sie sich amüsieren.
Aryal hatte mit Duncan gesprochen, der wiederum mit Cameron geredet hatte, und dieser hatte den Einfall gehabt, eine Tour ins Big Red’s zu machen. Das Big Red’s war eine nahe gelegene Bar, die einem pensionierten Polizisten gehörte und von Polizisten besucht wurde. Eher eine bodenständige als eine angesagte Location, mit robusten Holzmöbeln, einer ansehnlichen Tanzfläche und einer kleinen Küche hinter der Bar, die eine kleine Auswahl Speisen servierte, hauptsächlich Sandwiches und Pommes. Das Gebäude war gut zu verteidigen, und was noch besser war: Cameron kannte den Besitzer und bürgte für seine Integrität. Niniane, die beinahe alles getan hätte, um das Höllenhotel hinter sich zu lassen, ergriff die Chance, für ein paar Stunden zu entfliehen. Sie stürzte sich mit Elan in die Unternehmung, warf sich in Klamotten und Schuhe und legte Make-up auf – das volle Programm.
Außerdem liebte sie Musik und Tanzen. Wirklich. Wenn sie unter Druck stand, wurde sie garantiert manisch und tat ohnehin etwas in dieser Richtung. Aryal wusste das. Sie hatte schon zahlreiche Nächte in Clubs durchgemacht. Und sie würde auch im Big Red’s durchmachen. Jeden Augenblick würde sie in ihren Rhythmus finden, Baby, und es krachen lassen.
Aber um in ihren Rhythmus zu finden, musste sie ihn erst einmal spüren. Ihr Körper fühlte sich an, als passten seine Einzelteile nicht recht zusammen und wären ohne jede Anmut. Sie fühlte sich abgekoppelt von der Musik, die aus den Lautsprechern an der Tanzfläche dröhnte. Es klang wie ein gewaltiges Getöse bedeutungslosen Lärms. Cameron, die menschliche Polizistin, schob sich zwischen den anderen Tänzern hindurch. Sie war lässig in Jeans und ein Tank-Top gekleidet, und eine leichte Sommerjacke verbarg ihre Waffe vor zufälligen Blicken. Da sich auf der Tanzfläche eine chaotische, gutmütige Menge drängte, blieb Cameron dicht bei ihr, während Aryal und Duncan an einer Seite Wache hielten.
Niniane zwang sich zu einem Lächeln, aber es wurde eher eine gummiartige Dehnung ihrer müden Gesichtsmuskeln, die sich grässlich und falsch
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