Gebieter des Sturms (German Edition)
anfühlte. Niemand sonst schien es zu bemerken. Cameron lächelte zurück, ihr zimtgesprenkeltes Gesicht strahlte vor Freude über Ninianes scheinbares Vergnügen. Die ganze Sache war grauenvoll, ehrlich.
Es war ein langer, seltsamer Höllentag gewesen. Wo war Tiago jetzt? Aryal hatte gesagt, er habe sich mit Rune getroffen. Vielleicht würde er jetzt, da Rune und Aryal hier waren, wirklich nach New York zurückgehen. Er hatte sein Versprechen gehalten. Er war bei ihr geblieben, bis es ihr körperlich besser ging. Sie wusste, wie wichtig es für die Wächter war, Versprechen einzuhalten. Wäre er aufgebrochen, ohne sich von ihr zu verabschieden oder auf ihre Anrufe zu reagieren? Er war ein so stolzer, unnahbarer Mann, und sie hatte seine Unterstützung vor Carling und der gesamten Delegation der Dunklen Fae zurückgewiesen, also war es gut möglich, dass er fort war.
Ja, es war ein Fehler gewesen, dass er vergessen hatte, ihr von den Wyr zu erzählen. Aber nach allem, was er für sie getan hatte, hätte er eine bessere Behandlung verdient gehabt.
Sie konnte nicht vergessen, wie Tiago ausgesehen hatte, dieses Aufflackern von Anarchie in seinem Gesicht, als sie ihn weggeschickt hatte. Sie hatte seine Gefühle verletzt, und, oh Gott, sie vermisste ihn so sehr, als hätte man ihr ein Körperteil amputiert. Und sie wollte jemanden fragen, wie es kam, dass sie plötzlich in einem viktorianischen Roman gelandet war.
Eine Zweckehe? Im Ernst?
Sie stieß ein ärgerliches, schmerzhaftes Lachen aus. Die Musik übertönte das Geräusch.
Man sehe sich diesen Fortschritt an. Zuerst hatte sie Angst gehabt, sich auf eine Affäre mit Tiago einzulassen. Dann hatte sie Angst gehabt, ihr könnte nur wenig Zeit mit ihm bleiben. Dann war sie dankbar gewesen, überhaupt Zeit mit ihm verbringen zu können. Und als sie ihn fortgeschickt hatte, hatte sie beinahe die Hoffnung verloren.
Jetzt, da Aubrey und Kellen zugestimmt hatten, die Anwesenheit ihrer Wyr-Freunde für einige Wochen zu dulden, wusste sie nicht einmal mehr, ob Tiago noch in der Nähe war. Falls er es war, standen die Chancen gut, dass er kein Interesse mehr hatte. Und selbst wenn doch, wusste sie nicht, wie sie es ertragen sollte, eine Affäre mit ihm zu haben, während sie gleichzeitig nach einem Ehemann suchte.
Das war also gerade ihr Privatleben.
Warum war das alles nur so verworren geworden? Mit beinahe nostalgischen Gefühlen dachte sie an die Zeit zurück, als ihre einzige Sorge gewesen war, dass Urien sie umbringen wollte. Urien war mächtig und unheimlich gewesen, deshalb hatte sie unter dem Schutz seines Feinds Dragos in New York gelebt. Ende der Geschichte.
Vielleicht hatte sie die Dinge in ihrem Kopf falsch zusammengesetzt. (Auch wenn sie es nicht glaubte.) Vielleicht war eine Zweckehe doch nicht notwendig. (Obwohl sie sehr sicher war, dass doch.) Vielleicht würde das Ganze am nächsten Morgen anders aussehen, wenn sie ein paar Stunden Schlaf gehabt hatte. (Und zu viele Tequilas.)
Und warum musste das hier eine Nichtraucherbar sein? Mit zusammengebissenen Zähnen sah sie sich um. Jedermann wusste, mit wie viel Stress Polizisten tagtäglich umgehen mussten. In dem verdammten Laden musste doch jemand Zigaretten haben. Irgendwie würde sie ein Päckchen erbetteln oder stehlen.
Die Luft lud sich elektrisch auf. Die winzigen Haare in ihrem Nacken und an den Armen sträubten sich.
Sie kannte das Gefühl. Sie kannte es.
Die Lichter flackerten und wurden dunkler. Aus einem Lautsprecher in der Nähe der Türen kreischte eine Rückkopplung, und über der Bar explodierte eine Glühbirne in einem Scherbenregen.
Quälende Hoffnung machte in ihrer Magengrube einen Bocksprung. Sie drehte sich um und hielt nach ihm Ausschau. Sie war zu klein, um über die Köpfe der Leute um sie herum hinwegsehen zu können. Dann kreischten die Lautsprecher an der Tanzfläche auf, und die Musik brach abrupt ab.
Die Leute hörten auf zu tanzen. Niniane schnappte einige Fetzen gutmütigen Gemurmels auf »… Sturm draußen … in der Nähe muss ein Blitz eingeschlagen haben … «
In diesem Augenblick sah sie ihn. Er trug noch immer die schwarze Kampfhose und seine Waffen. Er war größer als die meisten Menschen und definitiv gefährlicher. Die kräftigen Knochen in seinem Gesicht zeichneten sich scharf wie Kriegsbeile ab, sein schön geschnittener Mund war straff gespannt, und er trug eine dunkle Brille, die ihn zu einem unberechenbaren Fremden machte. Das Gesicht hatte er ihr
Weitere Kostenlose Bücher