Gebissen
Alpträumen in den Knast getrieben und hier zu einem sabbernden Sexjunkie degeneriert. Nur weil er zu schwach war, sich zu wehren.
»Pst! Sei ruhig. Du willst eigentlich nicht erschossen werden«, sagte Alex und öffnete leise die Tür, nur einen Spaltbreit. Er selbst blickte nicht hinüber, er wollte das nicht sehen. Er sah auch nicht zu Malmsheimer, der mit zitternden Fingern seine Hose öffnete und den Penis auspackte, als wäre er allein daheim vorm Nachtprogramm. Danielles hypnotisches Stöhnen hatte ihm jedes Schamgefühl genommen.
Alle drei kamen zugleich, oder zumindest die beiden Männer. Bei Danielle hoffte Alex, dass der Orgasmus nur gespielt war. Jetzt warf er einen kurzen Blick in den Nebenraum. Sonstmann zog sich eben die Hose wieder hoch, Danielle strich ihren Rock glatt. Leise zog Alex die Tür zu und den bibbernden, grinsenden Zivi zurück auf den Holzstuhl. Er setzte sich hinter den Schreibtisch und versuchte, das passende Gesicht zu strengen Fragen zu machen, beamtisch seriös und gewichtig. Zu spät bemerkte er das weiße Sperma, das langsam an der grauen Tür herabfloss.
Das selige Grinsen auf Malmsheimers Gesicht verschwand immer mehr. Ganz langsam wurde ihm wohl bewusst, was er gerade getan hatte. Er begann zu schluchzen und murmelte: »Sie Schwein.«
Das war mehr als Postsexmelancholie, er machte sich auf dem Stuhl so klein wie möglich, beugte sich vor und presste die Unterarme auf den Bauch. »Was habe ich getan?«
»Nichts Schlimmes. Von mir erfährt keiner was«, sagte Alex möglichst freundlich.
»Ach, lass mich doch in Ruhe.« Langsam richtete er sich wieder auf, das Gesicht noch immer schmerzverzerrt.
»Ganz ruhig, ja?«
In dem Moment kamen Sonstmann und Danielle herein.
»Und? Alles in Ordnung?«, fragte der Beamte fidel. Die Krawatte hing locker um seinen Hals, und er machte breitere Schritte als ein Cowboy, der stundenlang im Sattel gesessen hat.
»Alles bestens«, sagte Alex, erhob sich und deutete mit dem Zeigefinger auf den Zivi. Dreimal klappte er den Daumen runter und wieder rauf, wie Kinder es taten, wenn sie im Spiel jemanden erschossen, und nickte warnend in Richtung Sonstmann.
»Alles bestens«, presste auch Malmsheimer hervor. »Mir ist nur ein bisschen übel. Verdauungsprobleme, nichts Schlimmes.«
»Dann sind wir ja alle glücklich«, strahlte Sonstmann und griff zum Telefon, um den Gefangenen wieder in seine Zelle bringen zu lassen. An Danielle gerichtet sagte er: »Vielleicht können wir ja mal wieder zusammenarbeiten. Würde mich sehr freuen.«
»Ja, vielleicht.« Danielle lächelte, ging zur Tür und öffnete sie. »Wir hören voneinander. Eine schöne Nacht noch.«
Alex folgte ihr auf den Gang und sagte nichts. Er hätte dem Kerl doch ein paar Stifte mehr zerbrechen sollen.
29
Lisa saß ganz am Rand der Holzbank, die Hände im Schoß ineinandergeklammert, sie konnte nicht mehr weiter von Günni abrücken. Dafür hätte sie aufstehen müssen, und sie wusste nicht, ob ihre Beine sie tragen würden, sie fühlten sich so schwach an, die Knie zitterten schon im Sitzen. Außerdem hatte Sandy gesagt, sie solle sich setzen, möglicherweise hätte Günni sie also zurück auf die Bank gedrückt, wenn sie aufgestanden wäre, und sie wollte auf keinen Fall von Günni berührt werden. Sie hatte die irrationale Angst, seine innere Schwärze würde auf sie abfärben. Sie vermied es, die Luft einzuatmen, die er ausatmete, sie fühlte sich so schneidend an wie der kalte Ostwind, der im Februar über Berlin hinwegfegen konnte. Sie wurde den Gedanken nicht los, innerlich zu erfrieren, wenn sie es täte.
Einen kurzen Moment lang hatte sie die Hoffnung, jemand würde ihre Schuhe auf der Straße finden und irgendwen benachrichtigen oder selbst hier herunterkommen und sie herausholen. So wie sie auf der Straße lagen, mussten sie doch verdächtig wirken. Doch dann wurde dieser Gedanke davongefegt. Niemand kümmerte sich in Berlin um fremde Schuhe, keiner würde sie beachten.
Günni versuchte nicht mehr, ein Gespräch mit ihr zu beginnen, er saß einfach reglos wie ein Toter neben ihr, und nur als der Junge in die Nische hereingesehen hatte, hatte er ganz langsam den Kopf geschüttelt. Da war der Junge wieder abgezogen.
Er war vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt und recht groß. Sportlich schlank, trainierte Arme, doch die Schultern hochgezogen, mit kurzen blondierten Haaren und gehetzten blauen Augen. Seit Minuten stand er nun an dem Pfeiler direkt vor ihrer
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