Gebissen
herausfinden. Ich war sicher, dass wir zusammenpassen würden. Und der blöde Arsch hat’s versaut. Dafür könnte ich ihm in die Eier treten, und ich wünsche ihm, dass diese Frau ihn verlässt und sein Herz bricht. Er soll wochenlang unter Einsamkeit leiden, so richtig leiden, im Bett dahinvegetieren und Läuse kriegen. Aber ich will doch nicht, dass er stirbt!«
Sandy sah sie an. In ihren Augen lag ein Schimmer der alten Sandy, zumindest glaubte Lisa, sie seien nicht mehr ganz so kalt und raubtierhaft. »Ach, Lisa, du bist einfach zu lieb für diese Welt.«
»Zu lieb?«
»Ja. Schau dich doch um, das Leben, die Wirklichkeit, alles ist traurig und dunkel. Auch du hast dem Schwein alles Mögliche an den Hals gewünscht. Du hast mit mir die Voodoopuppe aus seinem Shirt gebastelt. Das war dein Instinkt, dein Bauchgefühl, du wolltest deine Rache! Doch jetzt hörst du wieder auf dein anerzogenes schlechtes Gewissen, diese Möchtegernmoral, die nur dazu da ist, uns ruhigzustellen, ein Sedativum für unseren wahren Willen, der Kerker unserer freien Natur. Du bist weich geworden und würdest dich mit Läusen zufriedengeben.«
»Läusen und furchtbarer Einsamkeit«, murmelte Lisa. Als sie an das Voodoo-Shirt dachte, war ihr unbehaglich. Das war ein Scherz gewesen, sie erinnerte sich nicht einmal mehr genau daran, was sie Alex alles an den Hals gewünscht hatte. Wenn es Vampire gab, konnte es sein, dass dann auch Voodoo funktionierte? Hatte sie ihm den Tod gewünscht, und deshalb würden ihn die Vampire jetzt erwischen und töten? Nein, das konnte nicht sein, durfte nicht sein. Nein, nein, sie jagten ihn, weil er ihren Blutvater angezündet hatte. Es hatte nichts mit ihr zu tun.
»Und Einsamkeit, wochenlange Einsamkeit. Meinetwegen«, erwiderte Sandy mit einem verächtlichen Schnauben. »Das ist nicht viel für einen Kerl, der dich grausam betrogen hat und versucht, deinen zukünftigen Vater zu töten.«
»Meinen zukünftigen ... Was? Ach so, ja.« Lisa sah zu Boden und räusperte sich, holte tief Luft. »Aber was, wenn ich wirklich keine von euch werden will? Wir waren doch Freundinnen ...«
»Wir sind Freundinnen!« Sandy starrte sie an. »Warum sollten wir keine mehr sein?«
»Weil du mich mit Gewalt hierhergeschleppt hast!«, fuhr Lisa auf. »Weil du mich zu etwas zwingst, das ich nicht will! Das ist keine Freundschaft!«
»Es ist nur zu deinem Besten.« Sandy legte ihr die Hand auf den Arm. »Du wirst es verstehen, wenn du erst eine von uns bist. Vorher ...«
»Ich will aber nicht! Wie oft denn noch? Ich kann dieses ganze gehirngewaschene Sektengeschwätz nicht mehr hören!«
»Wir sind keine Sekte! Wir sind die Krone der Evolution!«
»Schöne Krone, die nur daran denkt, andere zu töten! Das ist Degeneration, nicht Evolution!« Lisa schrie sich alle Angst und Wut aus dem Körper, schrie sie Sandy ins Gesicht. Sollte diese sie doch deswegen sofort zu dem verfluchten Blutvater hinüberschleifen, aber sie müsste sie schleifen! Lisa würde nicht mehr mitkommen wie ein braves Lamm. Von wegen zu lieb!
Sandys Hand, die noch immer auf Lisas Arm lag, packte schmerzhaft zu und zerrte sie tatsächlich auf die Beine. »Ich denke, es ist genug Zeit verstrichen. Der Boden ist ruhig, er wird dich willkommen heißen.«
»Aber ich ihn nicht!«
»Du wirst! Und dann wirst du auch verstehen!«, beharrte Sandy. Sie schrie und wirkte dabei doch weniger aggressiv als verzweifelt, weil sie nicht erklären konnte, was ihr so wichtig war. Sie atmete durch und fuhr ruhiger fort: »Der Vater hat uns allen den Weg des Bluts gezeigt, einem nach dem anderen, und jeder, wirklich jeder von uns hat ihn verstanden. Du kannst seine Größe erst dann ermessen und begreifen, wenn du Teil von ihr geworden bist. Vorher kannst du doch gar nicht urteilen.«
»Größe ist nicht alles! Und ich will sicher nicht Teil eines blutsaufenden Mobs werden! Das weiß ich, ohne es auszuprobieren!« Lisa versuchte vergeblich, sich loszureißen, doch Sandy schleifte sie einfach weiter. Lisa wusste, dass sie keine Chance hatte, aber es ging nur noch darum, sich zu wehren. Sich nicht zu ergeben. Widerstand bis zum Schluss, und vielleicht würde ja irgendwas geschehen. Irgendwas. Der letzte Funken Hoffnung in ihr wollte nicht erlöschen.
In diesem Moment wurde Jos Knurren lauter, plötzlich klang es überrascht und gierig. Patschende Schritte rasten herbei, eine Kette schepperte über den Boden.
Lisa und Sandy wirbelten herum. Tatsächlich hatte sich
Weitere Kostenlose Bücher