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Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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stecken.
    Zwischen den berstenden Platten im hinteren Tunnel und dem in der Luft hängenden Staub waren schuppige Dinge zu erkennen, sich schlängelnde Wurzeln oder was auch immer. Sie kamen näher.
    Danielle tränkte zwei Lappen mit den Benzinresten aus Alex’ Kanister, die allerletzten Tropfen kippte sie dann noch ins dritte Rohr und zündete sie an. Dann zerrte sie Alex zurück, entzündete die beiden Lappen und warf sie gegen die mit Benzin überschüttete Kreatur. Sofort fing sie Feuer, brannte schneller als trockenes Heu im August.
    Eine Druckwelle wie nach einer Explosion schleuderte Alex und Danielle zurück. Sie knallten gegen die Tunnelwand, torkelten, konnten sich aber fangen.
    Zischend fraßen sich die Flammen am Körper des Blutvaters in die Tiefe, hangelten sich an der Kreatur entlang wie Funken an einer Lunte, drangen unter der Erde immer weiter und weiter. Dann quoll schwarzer Rauch heraus, und sie konnten nichts mehr erkennen.
    Abgesehen von dem gedämpften Prasseln herrschte wieder Stille im Tunnel. Keine weitere Betonplatte wurde von der Wand gesprengt. Erschöpft sank Alex zu Boden.
    Danielle schälte sich aus ihrer Bluse, um ihm dem Arm zu verbinden. Sie hatten keine Salbe, und Seide war nicht das Beste, aber irgendwie mussten sie die Blutung stoppen. Der Arm sah aus, als müsste man ihn amputieren, aber vielleicht war ein Vampir ja zäh genug.
    Ein Vampir oder was ich auch bin, dachte Alex.
    »Das wird schon«, sagte Danielle. »Du kommst wieder auf die Beine.«
    »Mann, das Ding hat gebrannt ...«, murmelte Alex und lächelte. Wenn Danielle es sagte, würde alles gut werden. Ihm war schwindlig. »Gebrannt wie Zunder.«
    »Ja. Aber ich befürchte, die Flammen kommen nicht bis zu seinem Herzen.«
    »Erst mal müssen wir hoffen, dass dieses Ding nicht neben einer Gasleitung liegt und wir gerade die ganze Stadt in die Luft gesprengt haben.«
    Danielle strich ihm über die Wange. Gemeinsam lauschten sie in den Tunnel.

33
    Lisa wurde von Sandy aus der Nische geführt. Sie hielt sich möglichst an der rechten Wand und vermied jeden Blick auf die dort hängenden Fotografien. Links von ihr ging Sandy, die die Hand auf ihre Schulter gelegt hatte. Die Vampire in der Halle begutachteten sie neugierig, sogen vernehmlich ihren Geruch ein, den ihres Bluts, doch Lisa sah nur zu Boden. Sie hatte das Gefühl, zu ihrer Hinrichtung geführt zu werden; unter keinen Umständen wollte sie eine von ihnen werden.
    Vielleicht gab es bei diesem Aufnahmeritual ja ein Messer, mit dem sie sich selbst töten konnte. Sie wäre lieber tot als so etwas.
    Schritt für Schritt näherten sie sich dem oberen Ende der Halle. Lisa verbarg Abscheu und Angst hinter einer Maske aus zur Schau getragenem Stolz, ihr Gesicht war reglos, wie gemeißelt, niemand sollte sehen, was in ihr vorging. In der hinteren Ecke befand sich eine hohe Tür aus schwarz lackiertem Holz, auf die sie zusteuerten.
    Plötzlich lief ein Zittern durch die gesamte Halle, Lisa geriet ins Straucheln und konnte sich nur mühsam halten, indem sie sich mit der Hand an der Wand abstützte. Einige Nägel lösten sich, Fotos trudelten zu Boden, auch eine Laterne fiel herab und zerbarst.
    Was war das?, dachte Lisa. In Berlin gab es keine Erdbeben, hatte es noch nie gegeben.
    Die Vampire torkelten, schrien auf und hielten sich die Köpfe, der Alte mit der Pickelhaube ging gar auf die Knie, er blutete aus der Nase und hämmerte mit den flachen Händen auf den Boden. Sandy keuchte und krallte die Finger tief in Lisas Schulter, die sie nicht losgelassen hatte. So tief, dass auch sie aufstöhnte.
    »Nein«, keuchte Sandy. »Das kann nicht sein … Wie ...? Nein, nicht dieser verfluchte ...«
    Jo zerrte brüllend an seiner Kette, warf sich mit aller Gewalt nach vorn, die hervorquellenden Augen drohten zu platzen.
    »Wir müssen sie töten!«, schrie irgendwer, und alle stimmten mit ein.
    »Töten!«, gellte es von überall her.
    »Töten!«
    Lisa drückte sich gegen die Wand, die Arme zum Schutz erhoben. Gerade noch hatte sie an Selbstmord gedacht und nun Angst vor dem Tod. Doch niemand stürmte auf sie zu. Nicht sie war jene Sie, die getötet werden sollte.
    »Wir werden beide töten! Wir werden ihr Blut gleich am Ort ihrer frevelhaften Tat versprengen! Für ihn! Sein sei das Blut und die Rache!«, brüllte der Alte mit der Pickelhaube und rappelte sich auf. Geifer tropfte aus seinem Mundwinkel. »Sie sind unter dem Reichstag, der Fremde und die Nephilim. Ruft alle an

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