Gebissen
mich redet, als hätte ich nicht mehr Hirn und Seele als eine gebrauchte Gummipuppe, aber du zögerst bei jemandem, der dich töten will?«
»Er ist nicht irgendjemand, er ist mein Vater, mein Blutvater, er hat mir gezeigt, wie ...« Alle weiteren Worte gingen in Würgen unter. Sandy krümmte sich auf Knien, spuckte und spuckte, und ihr Speichel war fast schwarz.
Lisa war nicht mehr sicher, ob das wirklich getrocknetes Blut war, auf jeden Fall sah es nicht gesund aus. Widerliche, dunkle, zähflüssige Batzen.
»Er will dich töten, verdammt«, sagte sie, während sie Sandy wieder hielt und ihr über den Rücken strich. »Du kannst doch nicht warten, bis er dich holt. Das sprichwörtliche Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird. Das bist du doch nicht.«
»Aber ... ich kann nicht, ich kann ihn nicht töten.« Es klang verzweifelt.
»Wenn du deinen Bruder töten konntest, dann kannst du auch deinen Vater töten!« Lisa bereute diese Worte sofort, doch sie waren heraus.
»Aber es reicht doch, einen Bruder zu töten! Ich muss ja nicht weitermachen!«, schrie Sandy. Sie sprang auf, packte Lisa und presste sie gegen den nächsten Pfeiler. Lisas Hinterkopf schlug schwer gegen Stein, so dass ihr kurz schwindelte. »Du warst doch immer gegen das Töten!«
»Und du für Rache! Er hat Jo zu dem gemacht, was er war. Er ist schuld, dass Jo dich angegriffen hat! Er ist an seinem Tod schuld, nicht du. Du hast dich nur verteidigt! Dich und mich.«
Sandy brüllte und schlug ihre Faust neben Lisas Kopf gegen den Pfeiler. Dumpf traf Fleisch auf Stein. Dann sank sie zusammen, presste die Arme an den Bauch, würgte und spuckte. Wieder und wieder, während Lisa sie von hinten umarmte, festhielt und wie ein Mantra murmelte: »Lass es raus. Nur raus damit.«
Ein schwarzer Klumpen nach dem anderen klatschte auf den feuchten Boden. Kein Mensch konnte so viel Speichel produzieren. Es war, als würde Sandy eine ganze Raucherlunge heraushusten. Lisa wusste nicht, was das war, aber sie war sicher, dass es raus musste. So etwas konnte nicht gesund sein. War das Blut einer inneren Verletzung? Hoffentlich starb Sandy jetzt nicht, nicht in ihren Armen, auch nicht später.
Langsam beruhigte sich Sandy. Sie rappelte sich auf und murmelte: »Du bist verrückt.«
»Verrückt?«
»Weißt du, wie mächtig er ist?«
Lisa lächelte. Sie erkannte den Tonfall der Frage, erkannte in ihm die alte Sandy wieder, oder zumindest eine Andeutung von ihr. »Nein, weiß ich nicht. Wahrscheinlich wäre ich sonst schon längst abgehauen, als ich vorhin die Gelegenheit hatte.«
Sandy lächelte. Es sah gequält aus, aber wenigstens nicht mehr kalt.
»Sieh es einfach so«, sagte Lisa, die von einem plötzlichen Hochgefühl erfasst wurde, einer völlig irrsinnigen Euphoriewelle. »Wir sind zu zweit, und er ist ganz allein.«
»Sagte die eine Maus zur anderen, als sie sich gemeinsam auf den Tiger stürzten.«
»Du bist keine Maus«, sagte Lisa. »Und wir wissen, dass er durch Feuer verwundbar ist, oder?«
Sandy nickte und sah sie erstaunt an. Die Kälte war fast aus ihrem Blick gewichen. »Du weißt wirklich mehr, als ich dachte.«
Dann eilten sie durch die weitläufige Halle, trugen alle Fackeln, Kerzen und Laternen herbei, sammelten sie vor der schwarzen Tür und zündeten jede an, die nicht brannte. Dabei erklärte Sandy Lisa, dass sich hinter der Tür nur ein einziger übersichtlicher Raum befand und dass sie den Blutvater erst mit einem Pfahl im Boden festnageln mussten, bevor sie ihn in Brand setzen konnten.
»Einem Pfahl? Aus Holz?«
»Das ist egal. Lass uns irgendeine Fackel nehmen, am besten eine von diesen langen mit dem Metallrohr. Das Material spielt keine Rolle, Hauptsache, wir kriegen es durch ihn durchgerammt.«
Lisa nickte schweigend, langsam verblasste die Euphorie. Sie holten die Bank aus der Nische, auf der sie gesessen hatte, und brachen sie entzwei. Das alte, trockene Holz würde ausgezeichnet brennen.
»Wie wollen wir an ihn rankommen?«, fragte Lisa und ließ den Blick über die Laternen schweifen. Ihre Flammen waren so hilflos klein.
»Ich bring dich einfach zu ihm, gefesselt, als wäre nichts geschehen.« Sandy zerrte Jos Hose von seinen Beinen und riss sie in Streifen.
»Und dann?«
»Hoffen wir, dass wir ihn lange genug ablenken können, bis wir bei seinem Herz angelangt sind.«
»Wir hoffen ...?«, murmelte Lisa.
»Ja. Mehr als hoffen bleibt uns nicht.«
»Und was ist mit ihm?« Lisa nickte in Richtung Jo,
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