Gebissen
sagte Danielle, als hätte Alex die Frage laut gestellt. Jetzt konnte auch er ein ganz leises Wimmern hören, der Mann war in Alpträumen gefangen.
Langsam wich Alex zurück, Danielle zog er an der Hand mit. Gegen Vampire hätte er kämpfen können, aber nicht gegen diesen bemitleidenswerten Mann. Selbst wenn er sie mit dem Wagenheber erschlagen wollte - er war viel mehr Opfer des Blutvaters als Alex und Danielle.
Danielle löste sich aus seinem Griff. Sie ging dem Fahrer entgegen, bedächtig und selbstbewusst. Sein Atem wurde heftiger, sein Gesicht war nun völlig von Angst, Schmerz und Wut verzerrt.
»Ganz ruhig. Es ist nur ein Alptraum«, sagte Danielle mit sanfter, eindringlicher Stimme.
Doch der Mann holte mit dem Wagenheber aus, hob ihn weit über die Schulter, um mit aller Wucht zuzuschlagen, und Alex rief: »Vorsicht!«
Trotz der geschlossenen Lider ließ der Mann den Wagenheber genau auf Danielles Kopf niedersausen. Ohne Mühe fing sie den Angriff ab, wand ihm das Werkzeug aus der Hand und umarmte ihn. Sie drückte ihn ganz fest an sich und murmelte immer wieder: »Wach auf. Das ist nur ein Alptraum. Wach auf.«
Der Mann zappelte und schlug um sich, er versuchte sogar, sie zu beißen, aber er konnte ihr nichts anhaben. Alex beobachtete, wie immer mehr Tränen flossen, während das Zucken der Gesichtszüge allmählich abnahm. Er schielte kurz nach unten, bemerkte jedoch keine wachsende Ausbuchtung in der Hose des Mannes.
»Pst. Es ist nur ein böser Traum.«
Die Lider des Träumenden zitterten, während Danielle weiter auf ihn einredete, seine Wangen, der ganze Körper schüttelte sich wie unter einem Weinkrampf. Schließlich hoben sich seine Lider und gaben den Blick frei auf ängstlich hin und her huschende Augen, in denen sich kein Erkennen zeigte. Der Mann nahm seine Umgebung nicht wahr, doch er hörte auf zu zittern. Auch die Augen beruhigten sich, und er starrte leer vor sich hin, fast wie ein Blinder. Er konnte nicht blind sein, er war doch eben noch Auto gefahren!
Danielle küsste ihn auf die Wange, dann auf die Lippen. Ganz sanft, nur ein Hauch, dann ließ sie ihn los. Lächelnd sank der Mann zu Boden, setzte sich einfach in den Staub, lehnte sich an die Tunnelwand und schluchzte vor sich hin. Da er dabei nicht aufhörte zu lächeln, wirkte es fast wie Erleichterung.
»Komm mit«, sagte Danielle zu Alex und deutete weiter in den Tunnel hinein.
»Da lang?«
»Irgendwo dort muss eine weitere Haltestelle sein. Oder ein Lüftungsschacht. Wenn er vom Reichstag gekommen ist, dann kommen die Vampire auch von da. Ich habe keine Lust, ihnen in die Arme zu laufen.«
»Und wenn der Blutvater nur will, dass wir das glauben? Wenn es eine List war?«
»Das müssen wir riskieren.« Danielle lächelte vorsichtig. »Aber das glaube ich nicht. Wir haben ihn verletzt, er ist stinksauer, von seinem ganzen Wesen her rachsüchtig. Und er muss schnell handeln, bevor wir verschwunden sind. Da bleibt keine Zeit für ausgeklügelte Pläne.«
»Aber du bist sicher, dass sie kommen?«
»Was würdest du tun, wenn dich jemand anzündet?«
»Ich ...? Okay, laufen wir.« Alex joggte los, weiter in den Tunnel hinein, Danielle an seiner Seite. Er hätte sonst was dafür gegeben zu wissen, wo sie diesen Blutvater erwischen konnten. Zu wissen, wo Lisa jetzt war. Weiter und weiter eilte er.
Lisa.
Unvermittelt blieb er stehen und drehte sich um. Er sah nach vorn und zurück, hin und her.
»Was ist?«, fragte Danielle.
Lisa , dachte Alex. Sie war alles, was jetzt zählte. Er rannte dahin zurück, wo sie hergekommen waren. Lisa hatte keine Zeit mehr. Wenn es noch nicht zu spät war.
»Hey!«, schrie Danielle. »Hast du mir zugehört? Von da kommen die Vampire!«
»Ja. Und nur sie wissen, wo Lisa ist.« Er stürmte weiter.
»Spinnst du?« Danielle hatte ebenfalls kehrtgemacht, er hörte ihre Schritte, wie sie langsam aufholte.
»Sie wissen, wo der Blutvater ist. Wolltest du kämpfen oder dich verstecken?«
»Idiot!«, knurrte sie. Aber sie folgte ihm weiter durch den Tunnel, den Vampiren entgegen.
35
Sandy saß auf dem Boden und wippte mit dem Oberkörper vor und zurück. Dabei wiederholte sie wieder und wieder, dass sie einen Bruder getötet habe und Er ein strenger Vater sei. Lisa sah ihr bestimmt seit einer Minute dabei zu, vielleicht auch seit zwei oder fünf, und vermied es, den toten Jo anzublicken. Doch immer wieder musste sie zu der schwarzen Tür hinüberschauen.
Dahinter lauerte er, der Vater
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