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Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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solltest wirklich Romantikreisen organisieren«, kicherte Lisa. »Damit könntest du reich werden. Du hast ein unglaubliches Gespür dafür.«
    »Ich würde die U-Bahn mit Kamin und Bärenfell einführen.« Alex lachte und streichelte mit dem Daumen
über Lisas Handrücken. Er musste sich unheimlich zusammenreißen, um sie nicht einfach zu küssen, ihre roten Lippen und den langen, schlanken Hals.
    Er nahm nichts mehr um sich wahr, durch die stickige Luft roch er nur noch Lisas luftiges Parfüm und darunter ihren eigenen Duft. All seine Sinne fokussierten sich auf sie. Es war, als erwache in diesem Moment der Trieb in ihm, der Höhlenmensch. Er wollte sie einfach packen und vögeln. Mit einem Mal war alle Zärtlichkeit aus seinen Gedanken verschwunden, alles fröhliche Lachen, er wollte sie besitzen, sie haben, sie unterwerfen, gleich hier auf dem Boden oder draußen gegen irgendeine raue Hauswand gepresst oder unter den Bäumen im nächsten Park. Jetzt! Er wollte sie schmecken, und nur mühsam konnte er sich zurückhalten, ihr nicht über den Hals zu lecken, an ihr zu knabbern. Er biss die Zähne aufeinander, bis sie knirschten, und dachte: Nein!
    So viel hatte er doch gar nicht getrunken. Erst wollte er sich prügeln, dann Lisas Hals lecken, über sie herfallen wie ein Tier. Die Hand, mit der er ihre hielt, zitterte.
    Sie grinste ihn an.
    Spürte sie seine Erregung? Amüsierte sie das?
    Er hatte das Gefühl, er könne ihren Herzschlag über das Gemurmel der Fahrgäste und die scheppernde Musik hinweg hören. Oder war es nur die Schlagader ihrer Hand, deren Pochen er fühlte, wenn er über sie hinwegstrich? Egal, ihr Puls ging auf jeden Fall schneller.
    »Was meinst du, warum sie das machen?«, fragte Lisa unvermittelt und deutete auf die etwa handgroßen eingravierten Brandenburger Tore, die die Fensterscheiben der U-Bahn zierten. Eines neben dem anderen, über die gesamte Fläche hinweg. »Soll das verhindern, dass irgendwer etwas ins Glas ritzt?«
    »Möglich. Vielleicht ist es aber einfach nur eine Form von Lokalpatriotismus. Oder der Hersteller der Scheiben ist ein Bruder des BVG-Chefs, der ihm so die Einnahmen der erhöhten Fahrpreise zugeschanzt hat, während er die vergangenen Streiks für die Erhöhung verantwortlich macht.« Alex starrte auf die eingravierten weißen Tore, die abwechselnd richtig herum und auf dem Kopf angeordnet waren. Die Säulen lagen sich gegenüber wie die gebleckten Zahnreihen eines aufgerissenen Mauls. Lange gerade Hauer, bereit zuzubeißen. Diese Assoziation war von der BVG sicher nicht beabsichtigt.
    »Wir müssen raus«, sagte Lisa in der Bernauer Straße und stieg aus der Bahn. Seine Hand ließ sie dabei nicht los. Langsam und immer langsamer schlenderten sie eine schmale Straße entlang.
    Alex war noch nie zuvor hier gewesen, zumindest erinnerte er sich nicht. Lisa sagte nicht mehr viel, aber sie lachte über jeden von Alex’ Versuchen, lustig zu sein. Er wollte lustig sein, er wollte sie zum Lachen bringen, wollte so seinen Trieb übertönen, weil er wusste, es würde heute nichts mehr passieren.
    »Wir sind da«, sagte Lisa irgendwann leise und blieb vor der beige gestrichenen Tür eines vierstöckigen Altbaus stehen. An den Ecken blätterte bereits die mattgraue Farbe ab, und auf der Hauswand fanden sich eine Handvoll Tags. Eines dieser typischen Häuser, in denen ein Drittel oder mehr Wohnungen Studenten-WGs waren oder Studienabbrecher-WGs.
    »War wirklich nicht weit.«
    »Ja.« Sie sah ihn an, trotz der Dunkelheit konnte er erkennen, wie ihre Augen brannten. »Ich kann dir leider nichts zu trinken anbieten, Sandy ist gerade wirklich nicht gut auf Männer zu sprechen.«
    »Beim nächsten Mal nehme ich dann einen Kaffee.« Er grinste. Nur immer locker, lustig, lässig.
    »Sollst du dann auch kriegen«, sagte Lisa und machte keine Anstalten, hineinzugehen. Stattdessen blieb sie gegen die Tür gelehnt stehen, wartete und hielt dabei noch immer seine Hand. Das war der Moment, in dem er sie küssen sollte, ja musste.
    Doch er tat es nicht.
    Wie sie da vor ihm stand, der Mund leicht geöffnet, brennende Augen und die obersten Knöpfe der bordeauxroten Kunstlederjacke geöffnet, so dass die Ansätze der Brüste zu sehen waren, der obere Rand des engen, tief sitzenden Tops, sah sie plötzlich so klein aus, jung und schwach, so leicht zu haben - und leicht zu verletzen. Natürlich war sie zehn Jahre jünger, aber bislang hatte sie nicht so zerbrechlich auf ihn gewirkt. Doch in

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