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Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Haiaugen stierten ihn voller Abscheu und Geringschätzung an. »Das gibt’s doch nicht! Aus welchem Kaff kommst du denn? Solltest du das Glück haben, noch mal auf ihn oder einen anderen zu stoßen, gibst du uns Bescheid, ja? Wir wissen, was man mit ihnen tut. Auch das ist in Berlin so üblich.«
    »Ja, mach ich«, sagte Alex, um den Kerl loszuwerden, bevor er ihm mit Vergnügen in die Eier treten und immer weiter auf ihn eindreschen würde. »Aber er war nicht in Berlin.«
    Der Hagere nickte, dann beugte er sich langsam vor, fuhr mit seiner Nase schnüffelnd wie ein Hund über Lisas Jacke, die über dem Stuhl hing, und richtete sich lächelnd auf. »Sie ist wirklich keine.«
    Die Gäste an den Nachbartischen waren inzwischen verstummt, sie starrten in ihr Essen oder in die milde Nacht, lauschten und schielten kurz herüber, gebannt von dem Schauspiel, das ihnen geboten wurde. Irgendwo kicherte eine Frau, ein Mann prustete in sein Bier.
    »Das hab ich doch gesagt«, knurrte Alex.
    »Ja. Aber woher soll ich wissen, dass du nicht lügst?« Er lächelte kalt. »Dann hab noch schöne Tage in Berlin. Und denk immer dran: halbe-halbe.« Mit einem anzüglichen Grinsen wandte sich der Mann ab und schlenderte zwischen den anderen Nachtschwärmern davon.
    Alex starrte ihm nach, voller Hass und erfüllt von einem völlig irrationalen Triumphgefühl, den anderen vertrieben und sein Revier verteidigt zu haben. Sein ganzer Körper kribbelte. Tief sog er die Nachtluft ein, den Geruch der Stadt, genoss das Verblassen des Moderdufts des Fremden. Erst als er von ihm nichts mehr sehen und riechen konnte, klang die Abscheu langsam in ihm ab.
    Einen Augenblick später tauchte Lisa wieder auf und zog sich die Jacke über. Alex war noch so in Gedanken, dass er es versäumte, ihr hineinzuhelfen. Was hatte der Irre nur mit halbe-halbe und gute Wahl gemeint? Das Bier wohl eher nicht ...
    »Es tut mir wirklich leid«, sagte Lisa eindringlich, die seinen abweisenden Gesichtsausdruck falsch deutete.
    »Ich bring dich noch heim«, sagte er.
    »Das ist nicht nötig.«
    »Doch, ist es!« Es klang nachdrücklicher als geplant. Vielleicht war er ja paranoid, aber irgendwas stimmte mit dem Typen nicht, ganz und gar nicht. Gute Wahl... halbe-halbe ... Sollte der Lisa anquatschen, wollte Alex nicht, dass sie allein war.
    Lisa zog die Augenbrauen hoch, setzte sich aber wieder und wartete, bis er bezahlt hatte.
    »Dann haben wir wenigstens noch einen kleinen Spaziergang zusammen«, sagte er, als sie sich auf den Weg machten. Er bemühte sich um ein Lächeln. »Und eine wahnsinnig romantische U-Bahn-Fahrt.«
    Sie lachte. »Und ich dachte schon, du willst mich beschützen.«
    »Wäre das so lustig?«
    »Nein.« Kurz sah sie ihn irritiert an, dann hängte sie sich bei ihm unter. »Aber ich bin schon ein großes Mädchen. Ich finde allein nach Hause.«
    »Das glaube ich. Aber ich ... Ach, vergiss es, ich bring dich einfach heim.« Er wollte ihr nicht von dem Spinner erzählen oder über mögliche Belästigungen und Vergewaltiger reden. Wahrscheinlich steigerte er sich auch nur in etwas hinein, es gab keinen Grund, sie zu beunruhigen. Schließlich kannte sie den Weg, und den Spinner konnte er nirgends mehr entdecken. Er war bestimmt schon sonst wo und quatschte andere Leute voll.
    In der Bahn standen sie dicht aneinandergedrängt, weder in der U7 noch der U8 fanden sie einen Sitzplatz. Alex hielt ihre Hand, und sie amüsierte sich über all die ach so romantischen Dinge, die sie sahen. Beschmierte Fensterscheiben, drei harte, herausgeputzte Jungs, deren Handy laut und scheppernd einen Hiphop-Song spielte, zu dem zwei betrunkene Mädchen, die sich an der grauen Stange im Türbereich festhielten, mit den Ärschen um die Wette wackelten. Müde Gesichter, die vor sich hinstarrten, ein junger Mann mit Aknenarben im Gesicht und einer Totenkopftätowierung auf dem Unterarm, der in ein Buch mit dem Titel Geil auf Gewalt vertieft war. Eine Frau, die in einer fremden Sprache in ihr Handy keifte und dabei zu flüstern versuchte.
    »Seit drei Tagen meldet er sich nicht«, beschwerte sich ein Mann mit Dreitagebart bei zwei Freundinnen und erntete ausweichendes Verständnis und beruhigende Sätze wie: »Vielleicht hat er einfach nur zu viel zu tun.«
    »Aber eine SMS, eine kurze SMS. Wie viel Zeit kostet das denn?«
    Die Frauen schwiegen, und eine legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm.
    »Da haben wir ja den richtigen Wagen für eine romantische Fahrt erwischt. Du

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