Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geboren in der Hölle

Geboren in der Hölle

Titel: Geboren in der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
als wir auf unser Ziel zugingen. Weiches Gras dämpfte unsere Schritte. Es war nicht unbedingt warm. Zwar schien die Sonne, doch dicke, weiße Wolken schoben sich oft genug davor und nahmen ihr die Kraft. Der Wind wehte aus Norden. Mir gefiel das Wetter.
    Niemand sprach uns an, als wir die Boote passierten. Tanners Leute waren unterwegs. Sie bewegten sich auf den Decks zwischen den künstlich angelegten Gärten hindurch. Vögel flogen hoch über unseren Köpfen. Manchmal hörten wir ihre schrillen Schreie. Oder hin und wieder auch ein helles Zwitschern.
    Das letzte Boot war das kleinste. Es hätte gut und gern ein Kohleschlepper sein können, so grau sah es aus. Es gab nichts Freundliches oder Helles, und auf dem Deck hatte auch niemand einen Garten angelegt. Dafür stand eine Frau an der Reling, die uns mißtrauisch entgegenschaute. Sie hatte schwarzes Haar, einen dunklen Teint und sah aus wie eine Orientalin. Eine Planke führte vom Ufer her auf das Boot zu, und wir gingen auf dem direkten Weg an Bord.
    Die Frau trat uns in den Weg. »Polizisten, nicht?«
    »Ja.«
    Sie schaute uns von oben bis unten an. Sie war um die dreißig, und die großen Augen waren dunkelblau. Der Mund war weich geschnitten, ein Lächeln zeigte er nicht. Ihre bunte Bluse war weit geschnitten und fast bis zum Hals zugeknöpft. Der leichte Wind ließ den Stoff flattern.
    »Ich weiß nichts.«
    »Das glauben wir gern«, sagte Suko. »Dennoch müssen wir unsere Pflicht tun. Sie haben die Tote gesehen?«
    »Flüchtig.«
    »Was dachten Sie?«
    »Das sage ich Ihnen nicht.«
    »Waren Sie nicht geschockt?«
    Sie senkte den Blick. »Ja, das waren wir alle. Es ist einfach furchtbar gewesen.«
    »Eben, Sie sagen es. Und wir sind erschienen, um die Person zu fassen, die so etwas getan hat. Diese zweibeinige Bestie darf einfach nicht frei herumlaufen. Was hier geschehen ist, das kann sich leider schnell wiederholen.«
    »Ich bin die falsche Person. Ich habe nichts gesehen. Und wir haben sie auch nicht umgebracht.«
    »Etwas anderes haben wir auch nicht angenommen, dennoch müssen wir unsere Pflicht erfüllen.«
    »Wohnen Sie allein hier auf dem Kahn?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Hussain ist noch bei mir.«
    »Wer ist das?«
    »Ein Freund.«
    »Können wir ihn sprechen?«
    »Er ist unter Deck.«
    »Dann holen Sie ihn.«
    »Sie können auch zu ihm gehen.«
    »Danke.«
    Auf dem alten Kahn sah es aus, als hätte jemand mit einer Axt wahllos herumgeschlagen. Aber es war nicht alles zerstört. Die Aufbauten sahen irgendwie nur angefressen aus. Aufgerissene Planken. Ladeschächte, die halb offenstanden und zu gefährlichen Fallen wurden, wenn man als Besucher nicht achtgab.
    In die Tiefe fallen wollten wir nicht, deshalb bewegten wir uns an den Rändern vorbei. Das alte Holz federte bei jedem Schritt leicht nach. Das Ruderhaus erinnerte an einen Kasten, der am Heck seinen Platz gefunden hatte.
    Ich tauchte zuerst durch den schmalen Durchlaß und sah sofort, daß dieser Kahn fahruntüchtig war. Ein völliges Durcheinander herrschte in diesem Raum, der gar nicht so klein war, sondern so lang, daß man dort wohnen konnte.
    Eine Abtrennung zwischen Ruderhaus und Wohnbereich hatte es wohl mal gegeben. Jetzt war sie nicht mehr vorhanden, und wir konnten direkt dorthin gehen, wo wir das Atmen hörten.
    Ich zog den Kopf ein und gelangte in eine Höhle, die einer Rumpelkammer glich. Hier wurde gekocht und zugleich geschlafen. Die Feuerstelle bestand aus einem kleinen Kocher, wie ihn früher einmal die Camper mitgenommen hatten. Lebensmittel waren auch vorhanden. Auf einem Brett an der Wand standen die Dosen nebeneinander. Als Bett diente eine Matratze, und überall auf dem Boden verstreut lagen Kleidungsstücke haufenweise herum.
    Es roch nach abgebrannten Räucherstäbchen oder Kerzen mit besonderen Duftnoten.
    Hussain war auch da. Genau dort, wo Licht durch ein schmales Fenster fiel, hockte er auf einem Regiestuhl und sah im ersten Moment aus, als wäre er aus Stein. Er schaute uns an. Dabei bewegte er sich nicht. Sein Blick war nach innen gekehrt. Der gesamte Kopf schien nur aus Haaren zu bestehen. Vom Kopfbis zum Barthaar, alles ging ineinander über. Es war schon eine Kunst, das Gesicht zu entdecken. Aber wer es sah, der mußte einfach von den dunklen Augen fasziniert sein, die wie schimmernde Öl tropfen aussahen und jeden Besucher fixierten, als wollten sie ihm auf den Grund seiner Seele schauen.
    Hussain war altersmäßig schlecht einzustufen. Er konnte

Weitere Kostenlose Bücher