Geborgen in den Armen des Scheichs
dessen Familie er schließlich gehörte, machte er sich unsichtbar, wenn er sich im Land seiner Vorfahren aufhielt. Doch mit dieser Taktik war er nicht weit gekommen, und die Lebenszeit seines Großvaters verrann. Nun musste er zusehen, dass er ihn bald nach Hause brachte, damit er dort in Frieden sterben konnte.
Dafür hätte er alles getan. Deshalb war er bereit, auf eine Frau aufzupassen, der es nicht erlaubt war, ohne Begleitung die Straße zu überqueren.
Er wies sich den Sicherheitsleuten gegenüber aus und stellte sich dem Kabinenpersonal vor, das mit den Vorbereitungen noch nicht ganz fertig war. Ein Steward nahm ihm das Gepäck ab und stellte ihn Atiya Bishara vor, die während des Fluges Lady Rose persönlich zur Verfügung stand. Danach führte er ihn durch das Flugzeug. So konnte Kalil sich davon überzeugen, dass alles in Ordnung war. anschließend begab er sich in die VIP Lounge.
In den Privaträumen des Clubs, die man besonderen Ehrengästen des Luxushotels zur Verfügung stellte, tauschte Lydia in Eile mit Rose die Kleidung. Zehn Minuten, nachdem Lady Rose den Raum betreten hatte, verließ Lydia ihn an ihrer Statt mit Herzklopfen und trockenem Mund.
Als ein dunkel gekleideter Sicherheitsmann sie einholte, hielt sie den Atem an. Würde er sich an der Nase herumführen lassen? Rose hatte ihr versichert, dass der Mann alles, nur sie nicht genau anschauen würde. Doch musste ihm nicht der Unterschied zwischen den beiden Frauen auffallen? Obwohl sie jetzt Roses himbeerfarbenes Seidenkostüm trug, den dazu passenden Hut mit kleinem Schleier und die berühmte, eng am Hals liegende Perlenkette?
Er bemerkte nichts.
Als sich der Hotelmanager näherte, um sie zur Tür zu begleiten, zwang sie sich zu lächeln. Auch dies hier war nichts anderes als ein Job, den sie schließlich beherrschte. Sie streckte ihm die Hand entgegen, bedankte sich bei ihm und trat hinaus in den sonnigen Wintertag.
Rose hatte sie davor gewarnt, was sie da erwartete, denn seit Gerüchte über eine Heirat kochten, war das Interesse der Medien außer Kontrolle geraten. Doch auf einen solchen Tumult war sie nicht vorbereitet gewesen. Auf den Lärm, auf das Blitzlichtgewitter so vieler Kameras. Nicht nur die Fotografen umlagerten sie, auch ganz normale Menschen hatten sich versammelt, um einen Blick auf den Liebling des Volkes zu werfen. Sie machten ebenfalls Fotos oder filmten sie mit ihren Handys. Diesen Leuten gegenüber fühlte Lydia sich verpflichtet, ihre Rolle perfekt zu spielen. Wieder befahl sie sich zu lächeln und dabei das Atmen nicht zu vergessen.
Nun verlangten die Fotografen ihr Recht. „Lady Rose, hier her. Was für ein schöner Hut, Lady Rose.“
Er war extra für diesen Anlass angefertigt worden. Durch seine Extravaganz sollte er auffallen und gleichzeitig von den kleinen Unterschieden zwischen Rose und Lydia ablenken. Außerdem verwischte der dunkel pinkfarbene Schleier mit den winzigen samtenen Schleifchen ihre Gesichtszüge, sodass sie auch auf Fotos nicht scharf zu erkennen wären.
Atmen. Lächeln …
„Wie war das Essen, Lady Rose?“, rief einer der Fotografen.
Sie schluckte den Kloß in ihrer Kehle hinunter. Niemand zeigte mit dem Finger auf sie, niemand klagte sie an, eine Fälschung zu sein. „Es war hervorragend“, sagte sie.
„Freuen Sie sich auf Ihren Urlaub, Lady Rose?“
Ihr Selbstvertrauen wuchs. Menschen sahen offenbar wirklich nur das, was sie sehen wollten. Sie lächelte den Mann an, der sie gefragt hatte. „Ich freue mich sehr darauf.“
„Verbringen Sie ihn allein?“, wagte er nachzufragen.
„Ja, aber nur, wenn Sie und Ihre Kollegen auch irgendwo Ferien machen“, antwortete sie und erntete einen Lacherfolg. Ja, so etwas konnte sie. Dann wandte sie den Fotografen den Rücken zu und ging die Treppen hinunter, um an der Menschenmenge vorbeizugehen, wie die Leute es von Lady Rose kannten. Auch sie hatte es zig Mal bei ihren Auftritten so gemacht.
Sie nahm die Blumen, die man ihr reichte, sie hielt an, um Fragen zu beantworten, ließ sich fotografieren und fühlte sich überwältigt von der Wärme, die ihr diese Menschen entgegenbrachten – Rose entgegenbrachten.
„Madam …“ Der Sicherheitsmann klopfte auf seine Armbanduhr, um auf die Zeit hinzuweisen.
Sie winkte noch einmal, lächelte und stieg schließlich in die wartende Limousine. Hinter dem livrierten Chauffeur sitzend ließ sie sich durch London kutschieren.
Eigentlich war es zum Lachen.
So verlief es normalerweise
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