Gebrauchsanweisung für die Welt
oder gesnifft, nie per Nadel), selbstverständlich Gras und Haschisch (zehn Tage lang in der Transsibirischen Eisenbahn, nie war Russland schöner), irgendwann auch LSD. Was überraschend endete, da ich noch in derselben Nacht im Krankenhaus landete. Möglich, dass ich es in der falschen Umgebung genommen hatte und auf den falschen »Guru« hereingefallen war, auf einen, der behauptet hatte, er sei LSD-erfahren und könne mich »leiten«. Sicher auch, dass ich an diesem Tag nicht mit mir im Reinen war.
Denn Lysergsäurediäthylamid ist eine psychedelische Droge, sie kann in die luftigsten Unwirklichkeiten entführen und sie kann den Konsumenten der winzigen Teile in die Hölle jagen. In die Hölle im Kopf. Viel hängt davon ab, wo man es tut und mit wem. Beides stimmte an diesem Tag nicht. So kroch ich zuletzt auf allen vieren durch eine Großstadt. Bis eine Ambulanz mich mitnahm.
Eine wunderschöne Erfahrung, denn ich hatte Bilder und Hirngespinste gesehen, die ich nie und nimmer auf »natürliche« Weise zu Gesicht bekommen hätte. Ich begriff, wieder einmal, dass so unendlich mehr Phänomenales existiert, als die reine Ratio erfassen kann.
Wo liegt folglich das Problem? Ich habe mich getraut und ganz allein die Konsequenzen getragen. Wer will mir das verbieten? Ich bin immer dann für »Unmoral« (so redet der Philister), wenn das Ergebnis nur mich betrifft. (Und die Aponal-Spritze in den Hintern kostete weniger als der Stundenlohn eines Maurers.)
Wer reist, wird unweigerlich mit Drogen konfrontiert werden. Weil man sie ihm, vor allem in der »Dritten Welt«, auf Schritt und Tritt anbietet. Und genau da lauert die Gefahr, die gewaltige Versuchung. So will ich nochmals lautstark klarstellen: Die Sehnsucht, sich immer wieder mittels Droge vom Glück betäuben zu lassen, ist permanent und hartnäckig. Je jünger, je verlorener, je zielloser ein Mensch ist, desto mächtiger flüstert die Versuchung, sich via kurzem (chemischem) Prozess von der Wirklichkeit zu verabschieden. Weil er sie – inklusive aller Idioten und Idiotinnen – nicht mehr aushält. Statistisch gesprochen, sind die Jüngeren »haltloser«, eher bereit, der Verlockung nachzugeben. Dass es auch Vierzigjährige erwischt, ist bekannt. Dass sich unheimlich viele, jung und alt einträchtig vereint, an den gesetzlich genehmigten Drogen vergreifen, dem Kalorienschaufeln, dem Vollsaufen, dem Zeittotschlagglotzen, auch das hat sich herumgesprochen. Der viele Kummerspeck in der Welt erzählt uns ganz nebenbei von der vielen Freude: die fehlt.
Die hard drugs , zugegeben, das ist ein Fall für die Stabilen, für jene Männer und Frauen, die sich etwas zutrauen und – entscheidend – wissen, wann der »point of no return« droht. Und vorher umkehren, sprich, aufhören. Und lange Pausen einlegen, bevor sie sich wieder an das Spiel heranwagen. Denn ganz tief ist bei ihnen die Gewissheit verankert, dass es zum Starksein keine Alternative gibt, nur: Schwäche, Abhängigkeit, das Grauen, einer Droge zu verfallen.
Ich bin keiner hörig geworden, obwohl ich ordentlich zugegriffen habe (und zugreife). Auf die beschriebene Weise: sich hingeben, wochenlang nichts anrühren, sich wieder hingeben. Und keine meiner Hände wackelt und nie reißt es mich schweißgebadet aus einem Traum. Nur mein Hausarzt murrt, denn jedes Mal beim jährlichen Checkup beschimpft er mich als unheilbar gesund.
Dafür gibt es Gründe. Drei Hauptgründe: 1) das schiere unverdiente Glück belastbarer Gene, 2) mein monatelanger Aufenthalt in einem japanischen Zenkloster, in dem ich ein für alle Mal begriffen habe, dass – selbst auferlegte – Disziplin ein Grundpfeiler des Glücks ist, und 3) die direkte, überwältigende Begegnung mit jenen, die nicht davonkamen, die – verwahrlost und verwildert von der Droge – zugrunde gingen.
Hier die zwei Erlebnisse, die mich am eindringlichsten markierten: Die bereits erwähnte Freundin – Stichwort Meineid – wurde einige Jahre später von einem Drogendealer getötet. Erdrosselt. Mitten im Streit um die Ware. Beide waren bereits dank schmutziger Heroinnadeln HIV-infiziert. Darf man behaupten, dass Lindas Leben (und ihr Tod) anders verlaufen wären, wenn sie sich weniger oft als Kriminelle – immer auf der Flucht vor Staat und Polizei, immer tricksen und stehlen – gefühlt hätte? Wenn sie offener, vertrauensseliger, »legaler« mit ihrer Sucht hätte umgehen können? Man darf.
Die zweite Episode handelt von Farin, einem
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