Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebrauchsanweisung für die Welt

Gebrauchsanweisung für die Welt

Titel: Gebrauchsanweisung für die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
Vom Netzwerk:
drallen, mächtigen Dealer, einem Pakistani. (Er schien ähnlich verkommen wie der dünne Deutsche, der die 27-Jährige im Heroinrausch erwürgt hatte.) Ich traf den zwölffachen Familienvater in Peshawar, das direkt an der Grenze zu Afghanistan liegt. Die Stadt ist ein Sündenpfuhl von babylonischen Ausmaßen, eine Brutstätte religiösen Fanatismus, ein Waffenhort, ein Drogenumschlagplatz, ein Dreimillionen-Loch, überlaufen von Kriegsflüchtigen und Schmugglern, geknechtet von einer bis in die Haarspitzen korrupten Beamtenschaft.
    Ich hatte mich als schwedischer Pusher eingeführt, der Kontakte suchte, um »Geschäftsbeziehungen« mit lokalen Interessenten aufzubauen. So kam ich an Farin. Er war schlau und gierig. Deshalb glaubte er jedes Wort. Wir hatten uns bereits mehrmals getroffen und festgelegt, wie viel »crystal white« ich nach Stockholm bringen würde, wie ich die 2500 Gramm – in einem Koffer mit doppeltem Boden – außer Landes transportieren würde, wie er das Heroin – mit »Anti-Mating-Spray« – gegen die Flughafenhunde in Europa präparieren würde. (Eine Flüssigkeit, mit der man gewöhnlich läufige Hündinnen einsprüht.)
    Es war unsere letzte Verabredung. Um nur noch ein Detail zu besprechen: welchen Flug ich nehmen sollte. Damit er, Farin, rechtzeitig die von ihm bestochenen Zollbeamten über meine Abreise informieren konnte, sprich, ich ohne Probleme in mein Flugzeug käme.
    Ich werde diesen Tag nicht vergessen, auch weil er so aufschlussreich begann: Auf der unter meiner Zimmertür durchgeschobenen Zeitung, The Frontier Post , sah man auf der Titelseite das Foto der ersten zwei Pilotinnen, die Lufthansa ausgebildet hatte. Attraktive, selbstsichere Frauen mit einer Topqualifizierung. Und meine Augen schweiften vom fünften Stock meines Hotels hinunter auf die Straße: mit den verkrüppelten Bettlern, den Kaugummi verkaufenden Siebenjährigen, den Schwärmen vogelscheuchschwarz-vermummter Musliminnen. Peshawar war nicht zu helfen.
    Farin auch nicht. Was er mir an diesem Vormittag bot, war ein Blick in den Abgrund bodenlosen Jammers. Und in den Abgrund seines Zynismus: Wir saßen im Wohnzimmer, mit drei Schränken voller Mineralien hinter Glas, sein Hobby. Und mit Tigerfellen an den Wänden. Protzen war sein zweites Steckenpferd. Auf dem Tablett zwischen uns standen eine Flasche Black and White und unsere Gläser. Wir plauderten, als jemand an der Tür klopfte. Einer seiner acht Söhne trat ein und flüsterte ein paar Sätze in Farins Ohr, auf Dari. Der Hausherr nickte und bat mich, hinter einen Vorhang zu treten. Kundschaft habe sich angekündigt, ich müsse verschwinden, könne aber heimlich zuschauen.
    Sekunden später kamen zwei Westler herein, zwei fadendünne Junkies auf dem cold turkey . So schwach, dass sie von je einem von Farins Männern gestützt werden mussten. Ein Blinder hätte sie allein an ihren gehetzten Stimmen erkannt, denn umgehend fingen sie zu reden an. Sie standen unter Druck, sie brauchten Nachschub. Sofort. Dem Akzent nach waren sie Australier. Ihr eigener Vorrat war ihnen vor ein paar Tagen gestohlen worden. Seitdem suchten sie nach Ersatz. Bis sie von Farin hörten, von einem – so erwähnten sie noch –, der »absolut vertrauenswürdig« wäre. (Vertrauen war wichtig, denn für jeden bei der Polizei Denunzierten galt die Faustregel: Wer mit einem Gramm – oder einem Kilo – überrascht wurde, saß für acht Jahre in einem Dritte-Welt-Kerker. Falls er kein Lösegeld bereitstellte, um sich freizukaufen. Dass die Ordnungshüter das konfiszierte, sündteure Konsumgut wieder weiter verschacherten, sei noch als Randnotiz erwähnt.)
    Die Audienz dauerte keine fünf Minuten. Farin holte eine babyfaustgroße (!) Portion, plastikverpackt, aus dem Schrank. Und die Kunden zahlten, on the spot , ohne zu kosten, ohne eine Fingerspitze voll zu probieren. Der Grossist fragte noch, ob sie ihr »Besteck« dabeihätten, wenn nicht, könne er auch das zur Verfügung stellen. Nein, danke, sie hätten alles eingepackt. Farin schüttelte leutselig ihre leblosen Hände und meinte noch, dass seine Leute sie jetzt in ein Zimmer im ersten Stock bringen würden. Damit sich die beiden sogleich den so notwendigen Schuss verpassen könnten. Und so geschah es. Die beiden bedankten sich überschwänglich und der Händler lächelte väterlich. Das schiefe Paar humpelte hinaus, noch immer gestützt von den zwei Leibwächtern.
    Und jetzt kam die kleine Ungeheuerlichkeit. Ich trat aus

Weitere Kostenlose Bücher