Gebrauchsanweisung für die Welt
viel Stress sie unters Volk bringen? Mit ihrem himmlisch faden Geleier?
Ein Gang in die Gesundheitsläden zeigt, wie jene aussehen, die sich sündenlos und sieben Tage die Woche von »vielen Hülsenfrüchten!« und »vielen Milchprodukten!« und »viel geschrotetem Leinsamen!« ernähren. Sie sehen irgendwie grün aus. Blassgrün. Sie sehen nach allem aus, nur nicht nach Sprühen und Sprudeln. Jeder dieser Nervensägen würde ich gern zurufen: »Bleib zu Hause, Angsthäschen, reise nicht in die Welt, du hast dort nichts verloren. Pack dir einen Sack Karotten ein, radle in den Stadtpark, creme dich mit Schutzfaktor 300 ein und lies den neuen Bestseller Wie ich hundert wurde und nebenbei alles versäumt habe .«
Irgendwann werden uns diese Hysteriker mit einer Fleischsteuer bestrafen, dann mit einer Sexsteuer, dann wird das Lachen verboten, kurz darauf das Gekicher, irgendwann stürmen sie unsere Wohnungen auf der Suche nach zerwühlten Bettlaken, zuletzt rationieren sie uns den Atem.
Wenn sie nur wüssten, die kalkfahlen Gesundbeter: dass es dem Körper schnurzegal ist, ob er seine tägliche Ration von 0,000 047 Milligramm Silicium und seine 0,0057 Milligramm Rubidium bekommt, solange, ja solange er sich begeistern kann, solange ihn Herausforderungen antreiben, solange er, auch das, umarmt und umarmt wird. Und eben nicht, solange er stündlich eineinhalb Spargelstangen, fünfzehn Gramm Birchermüesli und sechs Blätter Rucolasalat (vom Biobauern!) verabreicht bekommt. Der Körper will leben, bersten, tanzen, schreien, sündigen, in der Welt sein. Fehlt das, rettet ihn kein Gemüse zwischen Himmel und Erde.
Dieses Kapitel ist folglich den Hungrigen gewidmet, den hungrigen Reisenden. Die das Leben nicht als Leichenzug verstehen, der siebzig oder achtzig Jahre lang vorbeitrottet, sondern als phänomenale Möglichkeit, reich zu werden: im Kopf, im Busen (bei den alten Griechen das Zentrum des Gefühls), im Bauch, überall. Und Drogen sind ein überwältigendes Genussmittel, um der Intensität nachzuhelfen. Dass sie verboten sind, erzählt uns etwas von der Scheinheiligkeit, mit der wir leben. In jedem Discounter stehen fünftausend Flaschen Alkohol, jeder darf zugreifen. Literweise, kübelweise. Wird einer mit fünf Gramm Hasch erwischt, entflammt das gesunde Volksempfinden und schreit nach dem Staatsanwalt.
So wollen die folgenden Zeilen auch ihren (bescheidenen) Betrag liefern: damit – endlich – der Konsum von Drogen legalisiert, sprich, entkriminalisiert wird. Damit marodierende Mörderbanden – Mexiko macht es uns gerade vor – aufhören, via Verkauf von Dope ihr Terrorregime zu etablieren. Damit Pubertierende nicht auf den Strich gehen müssen, um sich den Stoff zu finanzieren. Damit – ich weiß also, wovon ich rede – ich keinen Meineid mehr schwören muss, um eine drogenabhängige Freundin vor einer Gefängnisstrafe zu bewahren. Die Legalisierung wird nicht alle einschlägigen Probleme lösen (so wenig wie der legale Verkauf von Schnaps vor Alkoholismus schützt), aber die grausamsten, die barbarischsten, die schon.
Ich bitte um Nachsicht für die lange Einleitung, aber es handelt sich um ein delikates Sujet, das ein paar erklärende Worte verlangt. So überfrachtet ist die Auseinandersetzung von Falschmeldungen, Heuchelei und blindwütigen Emotionen. Aber das Buch soll ja von der Welt des Reisens berichten und nicht vom Wallfahren nach Lourdes (dort verkaufen sie die Droge »heilige Bernadette«, ein ganz und gar folgenloses Placebo), soll sagen: Der verantwortungsbewusste und wohlinformierte Konsum von Drogen kann auf wundersame Weise zur geistigen und körperlichen Gesundheit beitragen, kann uns etwas – wohin kein Buch führt, kein Wort – von der unfassbaren Vielfalt der Welt erzählen. Auf intuitive, auf – aber ja doch – »spirituelle« Weise. Weil wir durch Drogen Zustände erleben, auch geistige, seelische, phantastische, in die wir auf »normalem« Weg nie gelangen würden.
Neben dem Wissen vom Umgang mit Drogen muss natürlich eine gewisse Bereitschaft zum Risiko vorhanden sein. Man kann es kalkulieren, aber ein Rest Wagnis bleibt. Ist das nicht einen Freudenjauchzer wert? Noch gibt es Auswege aus einem wüstenrothäuschen-versiegelten Leben. Noch bleiben uns Schlupflöcher, um einer vom Sicherheitswahn – made in Germany – gewürgten Existenz zu entkommen. So sollen auf dem Rezept für Drogen drei klare Maximen stehen: Trau dich! Sei mit dir im Reinen! Halte Maß!
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