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Gebrauchsanweisung für die Welt

Gebrauchsanweisung für die Welt

Titel: Gebrauchsanweisung für die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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das sie mit rastlosem Eifer hochgestemmt hatten. Mitsamt allen Büchern und einer großen Badewanne, die nun vor dem großen Fenster stand. Mit dem Pazifik davor, der wie ein Weltwunder in der Abendsonne strahlte.
    Und der Meister bat zu Tisch. Nachdem er in der Küche den Wunderlöffel geschwungen hatte. Ein Mahl für Könige. Wir aßen, nein, wir speisten, und ich habe selten eine Frau wie Marion gesehen, die – immerhin kannten sich die zwei seit fünf Jahren – so haltlos verliebt war. Natürlich wusste ich nicht, woher das Tändeln kam, aber ich vermute, dass nun das, was Charlie gerade (wieder) gezaubert hatte, wie ein Botenstoff reiner Seligkeit durch den Leib seiner Freundin wanderte. Und sie deshalb aus schierer Dankbarkeit den Koch mit Liebesblicken überhäufte. Wer rührt einen inniger an als ein Mensch, der die Glücksgefühle in unserem Körper erhöht?
    Wann immer ich an dieses Dinner unter einem hell glitzernden Sternenzelt in Kalifornien denke, muss ich grinsen. Zwei haltlos Entflammte nahmen daran teil. Und ein ganz und gar Überflüssiger, ich. Schade, dass mir jede Begabung zur Bisexualität fehlt. Sonst hätte nichts mich aufgehalten, nach dem Koch zu greifen und ihn zu streicheln.

Fragen
    Dieses Kapitel muss sein, weil ich oft eine seltsame Erfahrung mache: Ich bin mit jemanden unterwegs – sagen wir in einem Auto – und wir kommen in eine uns beiden unbekannte Stadt. Irgendwo in Deutschland oder irgendwo weit weg. Und der Fahrer findet die gesuchte Adresse nicht. Da ich auch keine Ahnung habe, schlage ich sogleich vor, zu halten und jemanden nach dem Weg zu fragen. Schlichter und einleuchtender kann eine Anregung nicht sein. Von wegen. Acht von zehn Zeitgenossen antworten darauf mit Nein. Sie wollen nicht fragen, sie wollen lieber eine Stunde im Kreis fahren und irregehen. Da ich aber zu Höherem geboren bin, als unnütz in einem Faradaykäfig zu sitzen, versuche ich inständig, den anderen zu überzeugen. Mit lausigem Erfolg.
    Was, zum Teufel, ist der Grund für dieses Brett im Hirn? Ich habe geforscht und nichts gefunden. Bohre ich nach, sind die Erklärungen vage und flüchtig. Schüchternheit? Hm, einst ersetzte man dieses Wort durch »Blödheit«. Das klingt knallhart, hat aber was. Faulheit? Hm, grotesker kann man nicht träge sein. Denn eine klare Frage würde enorm viel Arbeit sparen. Gesichtsverlust? Hm, nicht erkennen wollen, dass man bisweilen ohne die Hilfe anderer nicht zurechtkommt? Weil einer gern als Weltmeister unterwegs ist und nie eine Schwäche zeigen will? Ob so jemandem noch zu helfen ist?
    Das soll ein schmales Kapitel werden, so sei der kurzen Rede kurzer Sinn: Frag, Mensch! Das gilt tausend Mal dringlicher für Leute, die hinaus in alle fünf Kontinente fliegen: Frag, Reisender! Und wäre es mit dem Lexikon in der Hand. Oder mit einem vom Hotelportier vollgekritzelten Zettel. Oder mit den fünfzig eingetrichterten Wörtern, die man auswendig kann. Erkundige dich nach allem, was dir fehlt. Was hat einer in der großen weiten Welt verloren, wenn er sich weigert, sich nach ihr zu erkundigen? Nichts! Einleuchtender scheint es, wenn so ein Nachtwächter zu Hause bliebe, hinterm Ofen, schüchtern oder faul oder größenwahnsinnig. Denn die Welt gehört den Neugierigen, den Suchern und Unzufriedenen. Allen eben, die jeden Tag über das viele erschrecken, von dem sie noch nie gehört haben. So soll als Vorbild jener gelten, der auf jede Antwort eine Frage weiß: der Unersättliche! Er lebe hoch!

Der magische Moment: Ozeanien
    Der englische Schriftsteller Joseph Conrad notierte vor langer Zeit in sein Tagebuch: »What is art all about? To make you see«, was ist der Sinn der Kunst? Dich zum Sehen zu bringen!
    Das soll auch für das Reisen gelten. Nicht sofort das Handy zücken, nicht die Canon, nicht die Videokamera, nein, nichts anrühren, nur »schauen«. Wie sagte es ein Spötter, haarscharf formulierend: »Heute haben wir wieder viel fotografiert und wenig gesehen.« Soll heißen: Mache es genau umgekehrt, sieh zuerst, lass zuerst die Welt, die Erscheinungen der Welt, in dein Herz dringen, in deinem Hirn landen. Steh still und empfinde!
    Absurde Wirklichkeit. Ich gehe in den Louvre, wo, wie jedermann weiß, ein paar Hundert Weltwunder ausgestellt sind. Aber die meisten Besucher rennen nach rechts. Wie eine Schnellstraße ist der Weg zur Mona Lisa ausgeschildert. Und als sie atemlos ankommen, warten bereits dicke Trauben von Menschen davor. Unmöglich, etwas zu

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