Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder
Dänen ihre Boote zu Hause und kommen in Bussen nach Rostock oder ins rostocknahe Bentwisch, um sich im Einkaufszentrum Hansecenter die Taschen mit Alkohol vollzupacken.
Während der drei Monate, die ich in Rostock wohnte, wurde mir schnell klar gemacht, dass sich in dieser Stadt alles um den Pornobrunnen (offiziell: Brunnen der Lebensfreude) abspielt. Treffen am Pornobrunnen , Klopperei am Pornobrunnen, Kaffeetrinken am Pornobrunnen, schnell noch mal ins Geschäft beim Pornobrunnen
… Dieser sagenumwobene Brunnen befindet sich in der Fußgängerzone vor dem historischen Universitätsgebäude, in denen sich einst Ma(r)x Planck und Albert Einstein Ehrenurkunden abholten. Leider verschwinden in Rostock viele Touristen nur allzu schnell in eine der beiden großen Einkaufspassagen (Entzugserscheinungen), anstatt erst einmal einen Blick auf die Fassaden der Häuser zu werfen, wie sich das gehört, und mal etwas über den Baustil im Reiseführer nachzulesen. Ich würde den Baustil laienhaft als zackig und bunt bezeichnen, vielleicht hanseatisch. Tatsächlich sind es Renaissance- und Barockhäuser neben der landestypischen Backsteingotik; alles gerne in Rosa, Blau, Gelb gehalten. Während die Eltern im Reiseführer blättern, können die Kinder über die Straßennamen kichern. Eselföterstraße, Kuhstraße und Faule Grube verbinden die Fußgängerzone Kröpi (Kröpeliner Straße) mit der Langen Straße, die vormals Erste sozialistische Straße. Zwischen 1953 und 1960 entstanden, stellt sie die erste Phase des
DDR
-Städtebaus dar. Sie sollte eine Magistrale als Aufmarschweg für machtvolle Demonstrationen sein.
Ich habe in Rostock vor allem zwei Entdeckungen gemacht. Zum einen herrscht hier ein angenehmer Lokalpatriotismus, eine freundliche und auch offene Atmosphäre, die mir mancherorts in Mecklenburg-Vorpommern fehlt. Zweitens habe ich festgestellt, dass mir die Altstadt Rostocks viel besser gefällt als das Zentrum. Ich kann gar nicht recht sagen warum, denn eigentlich sind dort nur ein paar Häuser, zwischen ihnen Kopfsteinpflaster, auf dem man ständig umknickt, zwei Kirchen und wenige Menschen. Vielleicht nennt man das Flair, was mich dort überrascht hat, oder Café Kiwi . Das Café Kiwi wird von der ehemaligen Olympiasiegerin im Turmspringen betrieben, die sich, wie sich das für einen in einer verruchten Stadt lebenden Promi gehört, im Playboy nackt zeigte . Da ist die aus dem › Playboy ‹ , raunte es mir von allen Seiten zu, sobald sie irgendwo auftauchte. Der Rostocker hat den Stolz der Hansezeit, als die Rostocker Koggen die Weltmeere durchsegelten, nicht verloren, dachte ich. Als ich im Nachhinein erfuhr, dass die Fotos bereits 1996 im Playboy erschienen waren, verlor ich etwas von meinem gewonnenen Glauben, dass Mecklenburg-Vorpommern eine wahre Großstadt hat.
Ein Café mit Flair in der Innenstadt finden Sie übrigens im Hof des Klosters Zum heiligen Kreuz – das Café Kloster .
Der Rostocker selbst fährt gerne wie ein Großstädter in sein etwa zwölf Kilometer entferntes Ostseebad Warnemünde, um abseits des Großstadttrubels im Teepott einzukehren. Ein Klassiker der meck-pommerschen Restaurantszene, dessen Architektur etwas futuristisch wirkt. Als Kind dachte ich, dass ein vertrockneter Tintenfisch aus China auf dem Dach liegt (irgendwer muss mir das erzählt haben!?).
Warnemünde, um 1800 schon Belustigungsort der Rostocker genannt, wurde bereits 1326 von Rostock gekauft und stets bevormundet. Bis ins vorletzte Jahrhundert sollen die Einwohner nur den Beruf des Fischers oder Lotsen ausgeübt haben dürfen. Doch Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Warnemünde zu einem der bestbesuchten Seebäder Deutschlands. Die Einwohner beobachteten den neumodischen Trend, an die See zu fahren, skeptisch, reagierten jedoch geistesgegenwärtig und boten den seltsamen Menschen Zimmer in ihren heute noch existierenden Giebelhäusern entlang des Alten Stroms (damals eine der nur zwei vorhandenen Straßen) an. Als die Badegäste kamen, wollte man den Wohnraum erweitern und baute zu diesem Zweck die typischen Warnemünder Glaskästen an, über die Theodor Fontane schrieb:
Er (der Warnemünder Baustil) besteht darin, dass man an die Fronten der Häuser einen Glaskasten anklebt, der, unter den verschiedensten Namen auftauchend, als Balkon, Veranda, Pavillon, doch immer der alte Glaskasten bleibt, wovon das Sein oder Nichtsein aller Gäste und zuletzt ganz Warnemündes hängt. Diese gläsernen An- und
Weitere Kostenlose Bücher