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Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder

Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder

Titel: Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ariane Grundies
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Greifswald hätten Gertrude, Anais und Co. ihre Left-Bank-Zelte aufgeschlagen, hätten sie sich in Deutschland niedergelassen und nicht in den Dreißigern an der Pariser Seine. Nach meiner ersten Lesung im Literaturzentrum Koeppenhaus wollte sich jemand mit mir über die von Suhrkamp geplante vierzehnbändige Werkausgabe Wolfgang Koeppens unterhalten. Das ist mir so in Stralsund noch nicht passiert. Überhaupt kam ich nirgends in Mecklenburg-Vorpommern besser mit fremden Menschen ins Gespräch als in Greifswald. Die, die ich selbst vornehmlich ansprach, waren die weinenden, nicht aus Mecklenburg-Vorpommern stammenden Studenten in ihrem anfänglichen Schockzustand. Dankbar nahmen sie jede Unterhaltung an. Sie sagten, dass es so schwierig sei, mit den Greifswaldern ins Gespräch zu kommen ( Tja, aber nicht mit den Stralsundern , log ich), und dass sie sich wegen der Nazis, von denen sie so oft gehört hätten, abends nicht auf die Straße wagten. Dann zögerten sie einen Augenblick und fügten hinzu: Obwohl das hier ja eigentlich alles ganz niedlich aussieht und der Hörsaal nicht so überfüllt ist wie bei meinen Freunden, die woanders studieren.
    Ja, sagte ich, und im Sommer kommen dich deine ganzen Freunde besuchen und werden vor Neid erblassen, wie kurz der Weg ist, um im Meer zu schwimmen. Und Nazis gibt es leider Gottes auch woanders.
    Und wenn sie mit ihrem Studium durch sind, weinen sie wieder. Denn sie müssen Mecklenburg-Vorpommern verlassen, wenn sie keine Uni-Karriere anstreben. Und Mecklenburg-Vorpommern zu verlassen, wenn man es erst kennengelernt hat, ist kein Leichtes. Das geht sicherlich den Stralsunder Fachhochschulstudenten nicht anders. Dort gibt es den einzigartigen Studiengang Baltic Management Studies.
     
    Was Greifswald hat und Stralsund nicht :
    Einen Van Gogh im Pommerschen Landesmuseum.
     
    Was Stralsund hat und Greifswald nicht :
    Den weltberühmten Hiddenseer Goldschmuck im Kulturhistorischen Museum.
     
    Ich glaube, ich wollte schon im Mutterleib nicht in Greifswald sein, dennoch sind Erinnerungen da, die der Empfindung der Heimat näher kommen. (Wolfgang Koeppen)
Neubrandenburg
    Neubrandenburg. Neubrandenburg, überlege ich, Tim Borowski, der Fußballnationalspieler, habe ich irgendwo gelesen, stammt aus Neubrandenburg. Aha. Und die Kumbernuss, Astrid, die schwere Kugeln weiter stoßen kann als jede andere Frau der Welt, die hat auch eine Verbindung zu Neubrandenburg. Mir fallen noch eine ganze Reihe mehr Olympiasieger und Weltmeister ein, während ich über die drittgrößte Stadt meines Bundeslandes nachdenke. Auch Angela Merkel muss diese Stadt in den Sinn gekommen sein, als sie sich 2008 ein paar Gedanken im Vorfeld der anstehenden Olympiade in Peking machte. Sie reiste nämlich nach Neubrandenburg, um von hier aus allen deutschen Sportlerinnen und Sportlern viel Erfolg zu wünschen. Unter den wichtigsten Zielen der Oberbürgermeisterin findet sich auf Platz 11: Neubrandenburg als Sportstadt für alle erlebbar bewahren (Platz 6 etwas weniger umständlich formuliert: Lösung des Verkehrsproblems ).
    Eine Sportstadt also ist Neubrandenburg, und tatsächlich fällt mir zu dieser Stadt auch kaum etwas anderes ein. Erinnerungen an meine aktive Basketballkarriere (die sich eben genau dadurch auszeichnete, dass sie weitestgehend aktiv war) werden wach. Es gab nie einen Grund für mich, nach Neubrandenburg zu fahren, außer einigen Punktspielen. Seither verbinde ich mit Neubrandenburg hochgewachsene Damen. Die Neubrandenburgerinnen waren die Bohnenstangen, die Rostockerinnen die Brutalos, die Schwerinerinnen die Schönen, die Wustrower die vom Dorf. So wusste ich schon früh, die Meck-Pommerinnen ihrer Herkunft entsprechend einzuordnen. Eine der neubrandenburgischen Bohnenstangen verwies gerne auf die vier Stadttore, immer und immer wieder. Was gibt es denn hier Besonderes ? Vier Stadttore ! Was kann man denn hier machen ? Vier Stadttore. Wo können wir denn eine Fanta trinken ? In der Nähe vom Stadttor. Von welchem ? Bei allen vieren.
    Niemand erzählte mir damals, dass es außer den vier Stadttoren auch Brigitte Reimann hierher verschlagen hatte. Sie war aus Hoyerswerda in den freundlicheren Norden geflüchtet und hatte hier an ihrem Roman Franziska Linkerhand weitergearbeitet. Über ihre neue Heimat schrieb sie: Eine muntere Gegend, in der man noch was übrig hat für die handfesten Freuden des Lebens

… Wirklich eine schöne Atmosphäre.
    Auch von anderer Seite habe ich gehört,

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