Gebrochene Schwingen
verständlich machen, warum ich nichts mit Farthinggale Manor und nur wenig mit Tony zu tun haben wollte. Natürlich würde ich ihm nichts von Troy erzählen, aber er würde erfahren, daß Tony versucht hatte, Luke von mir fern zu halten. Hoffentlich war er darüber genauso wütend wie ich.
Am meisten aber wünschte ich, daß er mir wieder ganz nahekommen würde, daß wir im Laufe der Zeit dieses wunderbare, erregende Gefühl wiederentdecken würden, das wir schon auf der Highschool miteinander geteilt hatten.
Und dann mußte ich an Troy denken. Ich fragte mich, wo er war und wieviel er von meinem Leben wußte. Vielleicht beobachtete er alles, wie bei meinem Hochzeitsempfang. Oder hatte er sich wirklich von allem zurückgezogen, was mich und Farthy betraf?
Mit jedem neuen Tag wurde er mehr und mehr zu einer Illusion, zu einer Personifikation der idealen Liebe, der unerreichbaren, perfekten Liebe, die wie eine schöne, schimmernde Seifenblase zerplatzt, wenn man sie berührt. Wie die Seifenblase konnte man auch diese Liebe nicht festhalten.
Das alles war mir jetzt bewußt. Und ich wußte, daß die Liebe, die ich für Logan empfand, ihre Wurzeln in der Wirklichkeit hatte. Ich mußte sie pflegen, nähren, ihr helfen, zu einer starken Eiche zu werden, die von keinen Stürmen des Lebens zu erschüttern ist. Mit Logan würde ich ein Leben aufbauen, eine Familie, eine Zukunft. Ich hatte viel verloren, aber ich hatte auch noch viel, wofür ich dankbar sein konnte und das mir wichtig war.
Wie ich über all das nachdachte, traten mir die Tränen in die Augen, aber ich wollte mich nicht in den Schlaf weinen. Ich schloß nur die Augen und fühlte, wie ich in das Kissen zurücksank, wie ich davonglitt… als mich plötzlich ein Geräusch in die Wirklichkeit zurückholte. Jemand hatte die Zimmertür aufgestoßen. Ich setzte mich schnell auf und sah die Silhouette eines Mannes an der Türschwelle. Einen Moment lang dachte ich, es sei Troy, und mein Herz hüpfte vor Freude.
Aber dann hörte ich die Stimme.
»Leigh, bist du wach?«
Es war Tony. Selbst aus der Entfernung konnte ich den Alkohol riechen, den er ausatmete.
»Was willst du, Tony?« fragte ich so hart und kalt wie möglich. Zuerst antwortete er mit einem leichten Lachen, dann suchte er den Lichtschalter. Plötzlich war das Zimmer hell erleuchtet. Ich bedeckte meine Augen mit der Hand, und als ich sie wieder fortnahm, sah ich, daß er näher kam. Er trug nur eine weite Hose und ein Hemd, das bis zum Nabel aufgeknöpft war. Auf dem Arm hatte er eines von Jillians Nachthemden.
»Ich habe dir etwas mitgebracht«, sagte er. Seine Augen waren glasig und seine Haare zerwühlt. »Es gefällt mir an dir.
Würdest du es noch einmal für mich tragen? Bitte.«
»Ich habe es niemals für dich getragen, Tony. Du bist betrunken. Geh jetzt, bitte!«
»Aber natürlich hast du es für mich getragen. Und sieh mal«, sagte er, indem er die Hand unter dem Nachthemd hervorzog,
»ich habe dir auch etwas von Jillians Parfüm mitgebracht. Ich weiß doch, wie sehr du es magst. Du wolltest doch immer, daß sie dir etwas abgibt. Laß mich dich damit betupfen«, sagte er und setzte sich auf mein Bett. Ich wich zurück, aber er hielt mich fest und strich mit dem Fläschchen über meinen Hals.
Der schwere Duft von Jasmin stieg mir in die Nase. Ich versuchte, mich ihm zu entziehen, da legte er die Hand zwischen meine Brüste.
»Nein, Tony, hör auf damit! Ich will nichts von Jillians Parfüm. Ich habe gesagt, du sollst aufhören. Du bist betrunken.
Verschwinde von hier!« verlangte ich. Er sah mich an und lächelte, als ob er meine Worte nicht gehört hätte. Dann, als wenn er sich plötzlich an das Nachthemd in seinen Armen erinnern würde, stand er auf, legte es auf das Bett und streichelte es zärtlich.
»Komm schon, zieh es an«, sagte er, »und ich lege mich dann wieder neben dich, wie das letzte Mal, als du es getragen hast.«
»Verlaß auf der Stelle mein Zimmer, Tony. Ich rufe die Bediensteten, wenn du es nicht tust.«
»Leigh«, flüsterte er.
»Ich bin nicht Leigh!« schrie ich. »Ich bin Heaven! Tony, verschwinde, du machst mir Angst.«
Er ignorierte die Aufforderung wieder und schlüpfte unter die Decke neben mich. Ich versuchte zu entkommen, aber er packte mich um die Hüfte und zerrte mich an sich.
»Leigh, bitte verlaß mich nicht! Hör nicht darauf, was Jillian sagt! Sie ist verrückt, eifersüchtig auf dich, eifersüchtig auf jede andere Frau. Sie ist sogar auf die
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