Gebrochene Schwingen
Bediensteten eifersüchtig, nur weil eine schöne Hände hat oder ein hübsches Kinn.« Er berührte meine Schulter mit den Lippen und schob mit dem Kinn das Nachthemd hinunter, um seinen Mund auf meine Haut pressen zu können.
»Tony, hör auf!« schrie ich.
Ich legte meine Hand an seine Schläfe und drückte ihn weg, so gut ich konnte. Als er meine Brust berührte, schrie ich und krallte meine Fingernägel in sein Gesicht.
»Hinaus! Hinaus mit dir! Weißt du nicht, wer ich bin?
Erinnerst du dich nicht, daß ich deine eigene Tochter und noch dazu schwanger bin!«
Ich schlug ihm ins Gesicht.
Er starrte mich einen Moment lang an, dann zuckte es um seine Augen. Ich konnte sehen, wie die Wirklichkeit die Erinnerungen verdrängte und wie er aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurückkehrte. Mit einem Mal war er sich bewußt, wo er war und was er tat. Es traf ihn wie ein Schock.
Er schluckte und blickte um sich.
»Mein Gott«, sagte er, »ich dachte…«
»Du dachtest? Du bist betrunken und widerwärtig! Ich will, daß du verschwindest. Hinaus!« schrie ich und sprang aus dem Bett. Er starrte zu mir hinauf.
»O Heaven, vergib mir. Ich war nur…« Er sah auf das Nachthemd, das er mitgebracht hatte, dann auf mich, während seine Hand die gerötete Wange hielt. »Ich war nur verwirrt.
Ich…«
»Verwirrt?« Die beunruhigenden Gedanken, die sich sonst in den dunkelsten Ecken meines Gehirns versteckt hatten, brachen nun hervor. Ich erinnerte mich an andere Male, an denen er mich berührt und geküßt hatte, und plötzlich erschienen sie mir alle häßlich, gierig, inzestuös. Alle meine Ängste, alle widerwärtigen und traurigen Erinnerungen kamen plötzlich wieder in mir hoch. Ich konnte kaum mehr denken, in meinem Kopf war nur noch das Echo vieler Schreie und Rufe.
Ich preßte meine Hände auf meine Ohren. »Du bist kein bißchen besser als meine Verwandten vom Land, meine hinterwäldlerische Sippschaft, wie du sie immer genannt hast!«
Meine Stimme überschlug sich. »Dein Geld macht überhaupt keinen Unterschied. Du bist um keinen Deut besser als die beschränkten Winnerow-Hinterwäldler, die ihre Töchter vergewaltigen.«
»Heaven, nein…«
»Verschwinde, verschwinde«, schrie ich wieder.
Er erhob sich vom Bett, Jillians Nachthemd in der Hand, und begann sich rückwärts zur Tür zu bewegen, wobei er heftig den Kopf schüttelte.
»Bitte, bitte vergib mir. Ich war betrunken… Ich wußte nicht, was ich tat. Bitte«, flehte er und streckte seine Hände nach mir aus.
Ich schüttelte den Kopf, Tränen rannen mir über die Wangen, ich zitterte. »Hinaus mit dir«, zischte ich, meine Stimme war nur noch ein rauhes Flüstern.
»Es… es tut mir leid«, wiederholte er und stürzte zur Türe hinaus.
Als er endlich draußen war, brach ich auf meinem Bett zusammen und heulte. Ich weinte hysterisch, unfähig, den Sturm aus Angst und Trauer zu stoppen, der in mir tobte. Alles Traurige, das bisher passiert war, kam erneut hoch und verlangte, mit gleicher Intensität betrauert zu werden. Ich weinte um meine Mutter, die ich nie gesehen oder gekannt hatte, weinte um Tom, weinte um Troy, weinte wegen Logans Untreue mit Fanny, weinte um Luke und Stacie, und ich weinte um Heaven, die arme, kleine, verlorene Heaven Leigh Casteel.
Eine kalte, weiche, kleine Hand stoppte meinen Tränenausbruch. Ich holte tief Luft und drehte den Kopf. Der kleine Drake stand neben mir und sah auf mich hinunter. Er war sichtlich verwirrt, doch in seinen Augen war Mitleid.
»Weine nicht«, sagte er, »ich gehe nicht weg.«
»O Drake, Drake!« weinte ich, zog ihn an mich und hielt ihn so fest und so nahe, wie ich konnte. »Ich würde dich nicht weggehen lassen. Wir brauchen einander. Wie zwei Waisen.«
Ich küßte ihn auf die Stirn. »Ich werde immer für dich da sein.
Immer.«
Er sah zu mir auf, sein Gesicht war noch immer ein Spiegel meiner eigenen Trauer.
»Ich werde aufhören zu weinen«, sagte ich. »Jetzt werde ich aufhören zu weinen.«
Ich hob ihn ins Bett, und wir schliefen ein, nebeneinander eingerollt, wie zwei junge Kätzchen, die ihre Mutter verloren hatten.
Ich erwachte mit Drake in den Armen, sein kleiner Kopf war sanft an meine Brust geschmiegt.
Leise, um ihn nicht zu wecken, schlüpfte ich aus dem Bett, wusch mich und zog mich an. Die Bediensteten hatten die Vorhänge noch nicht zurückgezogen. Die Lichter, die während der Nacht brannten, waren immer noch an. Ich ging die Marmortreppe hinunter, schnell, aber
Weitere Kostenlose Bücher