Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebrochene Schwingen

Gebrochene Schwingen

Titel: Gebrochene Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
in das Feuer.
    Oben am Treppenabsatz blickte ich in die Richtung von Jillians Zimmer und sah, daß Martha Goodman mir zuwinkte.
    Sie trug einen Bademantel und Hausschuhe und wirkte mehr als verstört.
    »Sie hat eine schlechte Nacht«, flüsterte sie. »Immer, wenn das Wetter so ist wie heute, geht es ihr schlecht.«
    »Haben Sie ihr die Medikamente gegeben?«
    »Ja, aber sie wirken heute nacht nicht richtig.« Sie runzelte die Stirn und schüttelte dabei den Kopf.
    »Ist sie ruhelos?« Der Wind, der von der See kam, frischte auf, und selbst in den tiefsten Nischen des großen Hauses konnte man ihn hören, wie er über das Dach fegte und an den Fensterläden rüttelte.
    »Ja, sie redet über Abdulla Bar. Sie behauptet, gehört zu haben, wie das Pferd um das Haus herumgaloppiert sei und gewiehert habe. Sie war so fest davon überzeugt, es gehört zu haben, daß ich mich zugegebenermaßen habe davon einfangen lassen. Vorhin habe ich tatsächlich Curtis losgeschickt, der feststellen sollte, ob sich irgendein Pferd losgerissen hat.
    Natürlich waren alle im Stall.«
    »O je. Soll ich Mr. Tatterton rufen? Vielleicht können wir…«
    »Nein, nein, ich wollte nur mit jemand anderem reden als mit den Dienstboten. Manchmal gehen sie mir mehr auf die Nerven als Mrs. Tatterton.« Sie drückte meine Hand. »Es ist schon in Ordnung. Es wird schon wieder. Gehen wir besser schlafen. Machen Sie sich keine Sorgen.«
    »Rufen Sie mich, wenn es Probleme gibt. Zögern Sie nicht.«
    »Vielen Dank, Mrs. Stonewall. Ich bin so froh, daß Sie sich entschlossen haben, hier zu bleiben. Es ist beruhigend, Sie am anderen Ende des Flurs zu wissen«, sagte sie erleichtert.
    »Gute Nacht, Martha.« Ich streichelte ihre Hand und ging dann in mein Zimmer.
    Als ich zu Bett ging, begann es heftig zu regnen. Hart schlugen die Tropfen gegen die Scheiben. Für mich klang es, als würden viele winzig kleine Geschöpfe an den Fenstern hin und her eilen. Beim Hinausblicken war es, als wenn ich gegen einen schwarzen Samtvorhang schauen würde. Nur gelegentlich machte ein zur Erde zuckender Blitz Wahrnehmungen in dieser Dunkelheit möglich, und wenn solch ein Ausbruch himmlischer Elektrizität den kalten, pechschwarzen Himmel aufriß, verzerrte sein Licht alles Erkennbare. Alles sah aus, als wäre es im Fluß, änderte seine Form, dehnte sich und wogte. Es war eine Welt aus einem Alptraum. Es war eine Nacht, in der man leicht Geister sehen konnte. Ich zog meine Vorhänge fest zu und schlug die Patchworkdecke auf meinem Bett zurück. Ich konnte es nicht abwarten, endlich einzuschlafen und in der warmen hellen Morgensonne wieder aufzuwachen.
    Ich löschte das Licht, zog die Decke bis zu den Schultern hoch, kuschelte mich tief in ihre Wärme und schloß die Augen.
    Glücklicherweise schlief ich sofort ein.
    Ich hatte noch nicht lange geschlafen, als ich plötzlich wieder erwachte. Es war stockdunkel in meinem Schlafzimmer. Aber ich spürte, daß jemand da war. Ich war durch das leise Klicken des Türschlosses aufgewacht. Einen Moment lang starrte ich in die Dunkelheit und erkannte undeutlich eine Gestalt.
    »Wer ist da?« fragte ich mit einem rauhen Flüsterton. Mein Herz begann heftig zu schlagen. Ich fühlte, wie das Entsetzen in mir hochkroch. »Ist dort jemand? Tony?«
    Ich hörte Schritte, und dann sah ich, wie die Tür geöffnet und dann wieder geschlossen wurde. Von der Gestalt, die hereingekommen und wieder gegangen war, hatte ich nur einen Blick erhaschen können. Dieser mysteriöse Mensch war im Dunkeln geblieben, so daß ich ihn nicht hatte erkennen können.
    Ich sprang aus dem Bett und schaltete die kleine Nachttischlampe an. Dann zog ich meinen Bademantel über und ging zur Tür. Die Lichter im Flur waren gedämpft, so daß die Schatten, die sie warfen, größer und länger waren. Ich glaubte zu hören, wie eine Tür geschlossen wurde, und ging weiter, um zu lauschen und nachzusehen, aber ich sah niemanden. Konnte es Jillian gewesen sein? fragte ich mich.
    Hatte sie die schlafende Martha überlistet und war zu meinem Zimmer gekommen? Oder war es Tony, der gekommen war, um mir etwas zu erzählen, und der dann seine Meinung geändert hatte? Ich lauschte noch eine Zeitlang und drehte mich dann um, um in mein Zimmer zurückzugehen. Da fühlte ich Feuchtigkeit unter meinen Füßen. Ich kniete mich nieder und befühlte den Teppich. Wer es auch gewesen war, er hatte den Regen mit ins Haus gebracht.
    Besorgt und verwirrt ging ich wieder ins Bett. Bis jetzt

Weitere Kostenlose Bücher