Gebrochene Schwingen
Tony oder Logan, das immer zu ihrer Verfügung stehen würde. Es gab sogar einen Ruhebereich für die Angestellten.
»Ich hätte das Modell gern, wenn Sie es nicht mehr brauchen«, sagte ich.
»Natürlich, Mrs. Stonewall. Ich übernehme die Zustellung sogar selbst«, sagte er. Er flirtete mit mir, aber weder Logan noch Tony schienen es wahrzunehmen.
Logan mußte in der nächsten Zeit oft zwischen Winnerow und Farthy hin und her pendeln. Einige Male begleitete ihn Tony, meistens jedoch fuhr er allein. Logan hatte jetzt große Aufgaben. Ich beschloß, daß es keinen Grund für mich gab, nach Winnerow zurückzugehen, ehe die Fabrik nicht fertiggestellt war.
Nachdem der Bau begonnen hatte, begab sich Logan auf die Suche nach Handwerkern, die er später einstellen wollte. Wenn er zurückkam und einige der Leute beschrieb, die er kennengelernt hatte, fühlte ich mich des öfteren an Großpapa erinnert. Sogar einige der Namen, die Logan dann erwähnte, waren mir noch vertraut. Er hätte es gern gesehen, wenn ich ihn auf der Suche begleitet hätte, aber ich dachte, daß es zu schmerzhaft für mich wäre und mir lebendig all das vor Augen führen würde, was ich verloren hatte.
In der Zwischenzeit lebte ich ein ruhiges Leben in Farthy.
Wenn Logan fort war, aß ich meistens mit Tony, und wir sprachen oft über die Theaterszene in Boston. Er bot mir immer wieder an, Karten für die eine oder andere Vorstellung zu kaufen.
»Schließlich sind meist wir es, die entscheiden, ob eine Show nach New York kommt oder nicht. Für die Welt des Theaters sind wir sehr wichtig«, sagte er. Immer wieder versuchte Tony, mich zu überreden, ihn zu einer der neuen Shows zu begleiten.
Aber mir genügte es, wenn ich lesen konnte und ab und zu, um etwas Bewegung zu haben, ausritt und Martha Goodman bei der Versorgung von Jillian half, die, durch Beruhigungsmittel hilflos gemacht, wie ein kleines Mädchen wirkte. Sie redete fast gar nicht mehr von Geistern.
Schließlich erklärte ich mich bereit, Tony an einem Samstagabend zu einer Premiere nach Boston zu begleiten.
Zum Teil geschah es aus Langeweile, zum Teil aus echtem Interesse an dem Stück. Logan sollte erst am kommenden Mittwoch zurückkehren. Ich ging in meinen Ankleideraum und überlegte, was ich anziehen sollte. Ich sah die Kleider durch, die Tony einst gekauft hatte, um den Kleiderschrank in den neuen Räumen zu füllen. Es war alles Teil einer Überraschung gewesen, doch bis jetzt hatte ich mir die Stücke noch nicht angeschaut.
Am Ende der Stange entdeckte ich ein schwarzes Atlaskleid mit einem gefältelten Rock und einem ärmellosen Spitzenoberteil. Das Oberteil war schulterfrei. Durch einen herzförmigen Ausschnitt wirkte es sehr verführerisch. Tony hatte schon immer ein gutes Gefühl für Form und Größe gehabt. Das hatte ich schon bemerkt, als er mich damals für die Winterhaven-Schule – eine Privatschule für wohlhabende Töchter – mit einer kompletten Garderobe ausstattete. Als ich das Kleid anzog und mich damit im Spiegel betrachtete, verspürte ich ein kleines Kitzeln im Magen, hervorgerufen durch das Bewußtsein meiner eigenen sexuellen Anziehungskraft. Mein Busen war hochgehoben, und die Spalte am Brustansatz wurde dadurch vertieft. Ich fühlte mich in dem Kleid überwältigend und wußte, daß ich darin reif und fraulich wirkte. Der sanfte, unschuldige Ausdruck, der früher zu mir gehört hatte, war nun nicht mehr da.
Die Haare steckte ich auf und brachte damit meinen Halsansatz zur Geltung. Meine Haut war weich und schimmernd, wo der Hals in die Schulter überging. Ich hatte eine handgestrickte leichte Wollstola, die ich um die Schulter legen wollte. Für einen warmen Sommerabend würde das genügen. Ich legte nur eine Spur von Make-up auf, einen Hauch von Lidschatten und einen zarten rosa Lippenstift.
Nachdem ich mich so zurecht gemacht hatte, trat ich einen Schritt zurück und betrachtete mich noch einmal. Es tat gut, sich fein anzuziehen. Es tat gut, etwas vorzuhaben. Seit unseren Flitterwochen war Logan so sehr in Arbeit eingespannt gewesen, daß wir wenig zusammen unternommen hatten. Ich war froh, daß ich endlich Tonys Drängen nachgegeben hatte, mit ihm ins Theater zu gehen. Der Gedanke, mich in Bostons feiner Gesellschaft zu bewegen und mich zu unterhalten, belebte mich.
Ein leises Klopfen an meiner Schlafzimmertür riß mich aus meinen Träumen. Es war Tony. Er trug einen schwarzen Frack, ein weißes Hemd und eine Fliege. Einen Moment lang stand
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