Gebrochene Schwingen
in Winnerow. Ich wußte, er fieberte darauf, zu seinem Projekt zurückkehren zu können.
Schließlich sagte ich ihm, er solle gehen.
»Aber ich mag dich nicht allein lassen, so, wie die Dinge jetzt liegen«, sagte er. »Kannst du nicht für ein paar Tage mit mir kommen? Ich möchte dich bei mir haben. Es ist wichtig für mich und…«
»Ich glaube, ich sollte so schnell nicht fortgehen, Logan.
Mach dir keine Sorgen um mich. Ich werde es schon schaffen.
Es ist Tony, der eine harte Zeit hat.«
Logan nickte schweigend. »Als ob ich das nicht wüßte. Ich bin zu ihm gegangen, um mit ihm über ein paar Entscheidungen in Winnerow zu reden, und weißt du, was er geantwortet hat?« Ich schüttelte den Kopf. »Er verhielt sich, als hätte er nie von dem Projekt gehört. Was ist das für ein Projekt? fragte er. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Im nächsten Augenblick steckte er seinen Kopf wieder in die Kartons. Ich hätte nicht gedacht, daß Tony ein Mann ist, dem es gefällt, in einer Traumwelt zu leben«, sagte er. »Er ist doch viel zu sehr Realist, viel zu praktisch.«
»Vielleicht wenn es um andere ging, aber nicht bei sich selbst. Wir haben alle unsere eigenen Illusionen, Logan.«
Seine Augen wurden groß. »Ja?« Er schaute mich einen Augenblick lang mit einem seltsamen Ausdruck an, dann zuckte er die Schultern. »Ich denke, ich werde alle Entscheidungen, die anstehen, selber treffen müssen.«
»Das hätte Tony sowieso von dir erwartet«, sagte ich. »Er hätte dir nicht die Verantwortung übertragen, wenn er dir nicht vertrauen würde.«
»Vielleicht hast du recht. Nun gut. Ich komme am Wochenende wieder«, sagte er. »Ich melde mich jeden Abend.
Rufe mich auf jeden Fall an, wenn es irgendwelche Probleme geben sollte.«
»Das verspreche ich. Mach dir keine Sorgen.« Er organisierte seinen Rückflug nach Winnerow. Dann ging er nach oben, um seine Tasche zu packen. Ich saß allein im Wohnzimmer, als er zurückkam, um sich zu verabschieden. Wir küßten uns, und er brach auf. Ich konnte es ihm nicht vorwerfen, daß er dieses düstere Haus schnell verlassen wollte.
Einige Male ging ich zu Tony. Doch jedes Mal fand ich ihn versunken in Dokumente oder ein Fotoalbum.
»Du mußt wieder regelmäßig essen, und du mußt dich so bald wie möglich wieder an einen normalen Tagesablauf gewöhnen«, hatte ich ihm gesagt, als ich das letzte Mal bei ihm hereingeschaut hatte. »Das ist die einzige Möglichkeit, wie du deine Trauer bewältigen kannst.«
Er hörte auf zu lesen und schaute mich an, als ob er erst in diesem Augenblick begreife, was geschehen war. Alle Vorhänge waren fest zugezogen, so daß die warme Nachmittagssonne den dunklen, düsteren, ungemütlichen Raum nicht erwärmen konnte. Die einzige Lichtquelle war die Lampe auf seinem Schreibtisch, die ein blasses helles Licht auf ihn warf. Er schaute sich in seinem Büro um, auf die Dokumente und Bilder, dann sah er mich wieder an. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schob seine Lesebrille auf die Stirn.
»Gut«, sagte er. »Wie spät ist es?« Er schaute auf die Großvateruhr in der Ecke des Zimmers und beantwortete damit selbst seine Frage: »Ich war wohl ganz schön lange hier drinnen.«
»Ja, das warst du. Und du hast nichts Richtiges gegessen.«
»Ich mag es, wenn du dich um mich kümmerst«, sagte er und lächelte plötzlich mit neuer Frische. »Deine Mutter hat sich nie richtig um mich gekümmert«, fügte er hinzu.
»Meine Mutter?« Wie kam er denn darauf, wunderte ich mich. Meine Mutter war viel zu jung gewesen, um sich um solche Dinge zu kümmern. Sie war fortgelaufen, als sie längst noch nicht alt genug war, um die Pflichten eines Erwachsenen zu übernehmen. »Meine Mutter?« wiederholte ich.
Sein Lächeln verblich langsam. Er schüttelte den Kopf und beugte sich nach vorn. Dann rieb er seine Wangen und Augen, als ob er die Spuren von einem schweren Schlaf fortwischen wollte. Er holte tief Luft und schaute auf zu mir.
»Es tut mir leid«, sagte er schließlich. »Ich habe mich ein bißchen in der Zeit verloren. Du hast im Schatten gestanden, und ich durchlebte noch einmal einen Augenblick, in dem Leigh durch diese Tür gekommen war. Anscheinend beschäftige ich mich zu viel mit der Vergangenheit. Du hast recht. Ich sollte duschen, mich umziehen und etwas Vernünftiges essen. Ich weiß nicht, was ich tue und warum ich es tue. Heaven, ich fühle mich so schuldig wegen Jillian«, fügte er als Geständnis hinzu.
»Aber Tony«,
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